Die Kollektion von Wolfgang Joop für die Neue Wiener Werkstätte kommt, vor allem was die Polstermöbel betrifft, stilistisch solide und klassisch bis konservativ daher. Etwas mehr Pfiff haben die runden Beistelltische, deren Tischplatten sich gleich Tabletts abnehmen lassen. Bett "Brooklyn" bietet integrierte Leuchten und schwenkbare Seiten-Tabletts. Hocker und Paravents runden die komfortable Möbelfamilie ab. In Sachen Material schlägt der Designer für die Kollektion, die als limitierte Edition produziert wird und aus insgesamt elf Teilen besteht, Stoff, Leder und Holz vor.

Foto: Czerny Plakolm, Neue Wiener Werkstätte

Wolfgang Joop zu Besuch in Pöllau beim Chef der Neuen Wiener Werkstätte, Stefan Polzhofer.

Foto: Czerny Plakolm, Neue Wiener Werkstätte

Wolfgang Joop sitzt in einem Fauteuil in der Blauen Bar des Hotel Sacher in Wien. Er bestellt Tee. Etwas später gibt's ein Erdbeertörtchen. Joop trägt Arbeiterboots, Jeans, einen einfachen, sandfarbenen Strickpullover mit großem V-Ausschnitt und einen Schal in Gold, Violett und Himmelblau. Außerdem ärgert er sich über sein Hörgerät. Mehr beschäftigen dürfte ihn allerdings die Zukunft des von ihm gegründeten Labels "Wunderkind", das wegen angeblich fehlender Kapitalflüsse einer ungewissen Zukunft entgegensteuert. Eine Frage zu Wunderkind musste wegen den laufenden Verhandlungen wieder aus dem unten stehenden Interview entfernt werden. Zu Redaktionsschluss ist Wolfgang Joop laut eigenen Angaben alleiniger Gesellschafter des angeschlagenen Modelabels. Er kaufte die Anteile des Investorenpaares Hans-Joachim und Gisa Sander zurück und ist fest entschlossen, Wunderkind zu retten.

DER STANDARD: Ich habe 30 Fragen an Sie. Wir haben 30 Minuten Zeit. Geht sich das aus?

Wolfgang Joop: Das schaffen wir. Solange sich die Antworten nicht reimen müssen.

DER STANDARD: Bett, Stuhl, Tisch. Was ist am wichtigsten?

Joop: In dieser unruhigen Zeit ist das Bett am bedeutendsten. Es geht um einen Ort der Ruhe. Ich hab fast mein ganzes Leben lang nach einem perfekten Bett gesucht. 1983 habe ich mir hier in Wien ein Bett von Otto Wagner gekauft. Das ist wunderbar. Es sieht aus wie ein Boxring. Aber das ist mehr ein Objekt. Ich selbst entwerfe übrigens am liebsten Stühle. Sie sind die Negativform des menschlichen Körpers. Nicht nur des Hinterns.

DER STANDARD: Was muss denn ein perfektes Bett können?

Joop: Ich schlafe momentan in einem Bett, das einst Baron Rothschild gehört hat. Es ist aus Nussholz, Elfenbein und vergoldet, ein Art-Déco-Stück. Aber es beschützt mich nicht wirklich. Ein Bett muss einen beschützen. Vor Geräuschen und anderem.

DER STANDARD: Also haben Sie selbst ein Bett entworfen?

Joop: Genau. Ein Paradebett. Mit ausklappbaren Tischchen für meinen jeweiligen Bettgenossen - momentan sind das Lottchen und Gretchen (der Dalmatiner und der Ridgeback des Designers, Anm. d. Red.). Ein Bett sollte eine Art Muschel sein.

DER STANDARD: Eine Muschel hat diese Schutzfunktion, von der Sie sprachen. Was genau beschützen Ihre Möbel?

Joop: Nun, wir sind die Perlen.

DER STANDARD: Im Zusammenhang mit Ihrer Kollektion für die Neue Wiener Werkstätte fiel der Begriff zeitloses Design.

Joop: Zeitlos klingt ein wenig langweilig. Souverän ist der richtige Ausdruck. Die Möbel sollen nicht prätentiös sein, auch nicht an eine Lounge erinnern. Bei diesen Stücken geht es mir auch um Männlichkeit und um Stabilität. In letzter Zeit waren Möbel eher fragil und gleichförmig. Auch das Sichtbarmachen der Handwerkskunst war mir ein Anliegen.

DER STANDARD: Würden Sie sagen, dass Möbel eine Seele besitzen?

Joop: Unbedingt. Ich bin zwar kein Anhänger von Feng-Shui oder wie das heißt, aber es gibt Möbel, von denen ich mich ganz schnell wieder trenne. Andere wiederum werden eine Art Freund und sagen: "Verlass mich nicht." Möbel berühren einen, tragen einen, nehmen einen auf. Das ist ja auch etwas Intimes.

DER STANDARD: Wann ist ein Möbel schön?

Joop: Schönheit ist eine Verabredung mit Inhalt und Äußerlichkeit. Es geht um eine Balance. Mir geht es nicht um den Mainstream, der ja auch Schönheitsideale formuliert, sondern um das Individuelle. Und: Schönheit muss ohne diese Schockeffekte auskommen, die aus dem Mainstream kaum mehr wegzudenken sind.

DER STANDARD: Hat auch Wolfgang Joop morgens vor dem Kleiderkasten das Problem, nicht zu wissen, was er anziehen soll?

Joop: In meiner Garderobe gibt es Dinge, die 20, 30 Jahre alt sind, weil sich trotz viel Schokoladekuchen und ohne Sport zu betreiben meine Figur gar nicht verändert hat. Die Sachen sind natürlich zum Teil eine Gratwanderung, da ich ja trotzdem älter werde und mich vielleicht eines Tages der Lächerlichkeit preisgebe, wenn ich noch immer diese infantile Mode trage. Aber zurück zu meinem Kasten: Ja, ich bin oft verwirrt, wenn ich einen Koffer packen soll. Soll ich Ihnen noch etwas verraten?

DER STANDARD: Bitte.

Joop: Es gibt immer nur eine Jeans, die einem passt. Auch wenn Sie 50 Stück besitzen. Nur eine sitzt wirklich, und es ist eine Katastrophe, wenn das Biest in der Wäsche ist. Wollen Sie einen Tipp?

DER STANDARD: Aber gerne.

Joop: Entscheiden Sie sich für eine Farbe. Am allerbesten Marineblau. Schwarz sieht immer ein bisschen billig aus, wenn es nicht teuer ist. Außerdem wirkt es leicht abgetragen und pseudo-intellektuell. Oder pseudo-gefährlich. Marineblau gibt Frische.

DER STANDARD: Wie darf man sich denn Ihren Kleiderschrank vorstellen?

Joop: Total chaotisch. Ich hebe ja, wie gesagt, so viel auf. Auch, weil ich mir denke, das oder das kommt garantiert bald wieder. Also brauche ich es auch als Vorlage für meine Techniker.

DER STANDARD: Warum haben Sie heute an, was Sie anhaben?

Joop: Das schlepp ich schon eine ganze Weile mit mir herum. I am a member of the working class, you know. Das ist mein Arbeitsoutfit. Ich muss mich gut bewegen können, die Stoffe müssen weich sein. Diese Jeans hab ich selbst entworfen, und die australischen Stiefel trag ich seit vier Jahren, Sommer wie Winter.

DER STANDARD: Herr Joop, was mögen Sie an Österreich?

Joop: Allein dieser Salon hier. So etwas existiert in Berlin leider nicht mehr. Außerdem gibt es hier Traditionen, auf die ein moderner Mensch gern zurückgreift. Es geht um Dinge, die so geblieben sind, wie sie waren. Wien ist außerdem sehr imperial, und ich bin im Moment etwas antidemokratisch eingestellt und würde am liebsten die Monarchie wieder zurück haben. Wien empfängt mich jedes Mal wie einen Prinzen. Auch das Subversive des Charakters hier gefällt mir. Und die Anbindung zum Balkan, denn dorthin gehört mein Herz.

DER STANDARD: Warum das?

Joop: Das ist so, seit ich als Kind den Zigeunerbaron gesehen habe.

DER STANDARD: Was gefällt Ihnen nicht an Österreich?

Joop: Dass ich kein Österreicher bin.

DER STANDARD: Kennen Sie österreichische Modedesigner?

Joop: Helmut Lang hab ich kennengelernt, da war er noch nicht Helmut Lang. Er hat am selben Tag Geburtstag wie mein langjähriger Gefährte und Seelenverwandter Edwin Lemberg. Andere Designer fallen mir im Moment nicht ein.

DER STANDARD: Sie sagten, Sie kamen zur Mode wie die Jungfrau zum Kind, nachdem Sie den Modewettbewerb einer Frauenzeitschrift gewannen. Das war 1970. Was raten Sie angehenden Modedesignern 40 Jahre später?

Joop: Ein Nerventraining würde ich sagen. Man sieht ja: Jede Saison bricht einer weg oder hängt sich auf. In der Mode braucht man ein Riesenteam und ein großes Budget. Jede andere Art von Kunst oder Arts and Crafts ist langlebiger. Wer kennt denn in Deutschland noch Helmut Lang? Wer weiß, wer Jil Sander wirklich ist? Yves Saint Laurent hat man auch schon vergessen. Die Lorbeeren welken schnell.

DER STANDARD: Wie ist es um Ihre Lorbeeren bestellt?

Joop: Man muss das tun, was einen erfüllt. Ich habe ja noch ein Firma namens Wunderkind gegründet. Viele sagen, das war finanziell kein großer Erfolg. Aber ich habe in diesen Jahren getan und erreicht, was ich wollte. So muss man das sehen. Man muss an seine Grenzen gehen.

DER STANDARD: Sie haben im vergangenen Jahr bedeutende Kunstwerke aus Ihrer Sammlung versteigern lassen. Warum?

Joop: Ich habe lang mit diesen Möbeln und Objekten gelebt und musste Platz für etwas Neues schaffen. Es war einfach auch zu viel Salon-Charakter. Nach meiner großen Tour durch die Welt der Mode bin ich dorthin zurückgekehrt, wo ich angefangen habe. Ich will jetzt wieder malen und habe gerade das erste Bild zu zwei Dritteln fertig.

DER STANDARD: Sie sagten einmal: "Ein guter Auftritt ist wichtig. Ein guter Abgang aber auch." Schon einmal über die Pension nachgedacht?

Joop: Da denk ich jeden Tag 40-mal darüber nach. Ich schaff es aber einfach nicht, weil mir immer irgendwas dazwischenkommt. So wie jetzt, wir überziehen schon wieder.

DER STANDARD: Das waren aber noch keine 30 Fragen.

Joop: Also eine noch.

DER STANDARD: Was fällt Ihnen zum Thema Eitelkeit ein?

Joop: Wissen Sie, Eitelkeit und Glück sind kein gutes Liebespaar. Das habe ich einmal in einem Roman geschrieben. Der eitle Mensch muss bereit sein, unter seiner Eitelkeit zu leiden. Eitelkeit ist aber auch eine Antriebsfeder. Ohne Eitelkeit bleibt man zu Hause und verkommt. Ich jedenfalls neige dazu.
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/25/03/2011)