Seidenchiffon-Top von Maurizzio Pecoraro (über Sterngasse 4, 1010 Wien)

Foto: Gerhard Wasserbauer

BH und High-Waist-Panties von Wolford

Foto: Gerhard Wasserbauer

Slipdress von Intimissimi

Foto: Gerhard Wasserbauer

Tunika von Intimissimi und Slip von Palmers

Foto: Gerhard Wasserbauer

Ein offenes Mieder versprach einst lose Moral und ungeahnte Lockerungen. Leichte oder unkomplizierte Unterwäsche sollte klarmachen, dass Frauen nicht mehr bereit waren, sich öden Geschlechterkonventionen zu unterwerfen.

In den 1950er-Jahren mussten Frauen erst ihre modisch verordneten Torpedobüstenhalter und Panzermieder loswerden, um ihre Chancen im Geschlechterkampf zu verbessern.

Die spießige Armierung verhüllte jede natürliche und selbstbewusste Sexyness, formte und definierte nur Standardmodelle und unterteilte den weiblichen Körper in erogene und andere Zonen - Unterschiede, die ohne Bügel, Verstrebungen, Unter- und Vorbauten wohl kaum Sinn gemacht hätten. Busen gerieten überspitz und extragroß, Taillen umso enger und knapper. Doch wurde immer noch eine moralisch höchst korrekte Erscheinung geboten, auch wenn alle Blicke unweigerlich an den vorgeführten Übertreibungen hängenbleiben mussten. Schließlich wurde nicht der richtige und wahre Körper betrachtet und gemustert, sondern nur dessen modisch gestalteter Umriss, ein Abziehbild gewissermaßen. Frauen zwangen sich in die spießigen Monturen und wahrten dabei jeden Anstand, zeigten sie doch nie körperliche Wahrheiten, sondern trugen bloß kurvige Konventionen spazieren.

Tempi passati! Mit der Minimode der 1960er-Jahre setzten sich praktische Strumpfhosen und leichte BHs durch, die Role-Models waren andere geworden, Körper präsentierten sich jünger, gesünder, leichtlebiger, trainierter. Strumpfgürtel, Miederhosen und Büstenformer wurden zwar nicht abgeschafft, doch einer Generation überlassen, die plötzlich sehr alt darin aussah. In den konsumkritischen Lebensmodellen der 1970er wurde Unterwäsche schließlich als Inbegriff der Unfreiheit wahrgenommen, als etwas, das Frauen vereinnahmte, und auch recht deutlich abgelehnt, BHs wurden ausgezogen und öffentlich verbrannt. Lingerie, also Strümpfe, Strapse, rutschig-hautige Seide, romantische Spitze, Pushiges, Kaschierendes, schien mit modernen, selbstbewussten Frauenrollen wenig vereinbar.

Erotische Codes

Dass chirurgisch unterstütztes Body-Engineering einmal stützende und kaschierende Unterwäsche überflüssig machen könnte, musste vor 30 Jahren noch wie frauenfeindliche Science-Fiction erscheinen. Doch als in den 1980ern Frauen auch in Führungsebenen vordrangen, stiegen nicht nur die Verkaufszahlen für Sport-BHs und Tangas, sondern auch diejenigen für Dessous, Wonderbras, Strümpfe und alles andere, was mit dem nüchternen Begriff "Unterwäsche" wohl nur unzureichend beschrieben wäre. Unterwäsche ist längst modischer und individueller Ausdruck, der so unsichtbar nie bleibt. Lingerie definiert und manipuliert nach wie vor erotische Codes.

Das aktuelle Revival nostalgischer Negligés, Kombinegen, Unterkleider, Petticoats und Schalenbikinis ist dabei nicht zu übersehen. Doch hier gleich ein Wiederaufgreifen überkommener Geschlechtermodelle zu unterstellen hieße wohl, das Spiel mit der Mode wieder einmal zu unterschätzen. Der Trend zeigt keine altmodische Unterwäsche, sondern die historischen Zitate - nun allerdings in neuen, angenehmen, leichten, modernen Farben, Materialien und Kombinationen - lassen sich auch ganz wörtlich als sinnliche Statements lesen.

Korrigierte Frauen- und Männerkörper

Die aktuelle Reminiszenz an die 50er- und 60er-Jahre - hochgeschnittene Slips, gebauschte Petticoats, anliegende Unterkleider - bedeutet dabei sicher weniger einen Rückgriff auf überkommene Lebensstile und unmoderne Konventionen als vielmehr ein starkes Zeichen dafür, dass solche Unterwäsche weiches Fleisch fasst und stützen soll, dass sie offensichtlich Begehrtes vielversprechend zu verhüllen mag. Die korrigierten Frauen- und Männerkörper der letzten Jahre folgen so sehr medialen und unberührbaren Vorbildern, dass sie jedes Geheimnis verloren haben. Erotische Anziehung, die von einer Frau ja auch selbstbewusst ausgeht, läuft in virtuellen Welten Gefahr, allzu schnell als pornografische Vorlage missverstanden zu werden. Reale Körper sind gemessen an ihren medialen Vorbildern vielleicht weniger perfekt, sie sind einander aber auch faszinierend unähnlich.

Kein Zufall also, dass sich der in erster Linie ästhetische und modische Erfolg der TV-Serie Mad Men wohl auch der Tatsache verdankt, dass die weiblichen Figuren von Schauspielerinnen verkörpert werden, die nicht zuletzt deswegen so unerwartet sexy sind, weil auch ihre Körper so unterschiedlich und so ungewohnt echt und üppig auf uns wirken. Und sie tragen Wäsche, die Vorzüge betont und anderes kaschiert, die aber auch verführerisch und überzeugend klarmacht, dass sich hier offenbar richtige Frauen in ihren echten Körpern in Szene setzen. (Brigitte Felderer/Der Standard/rondo/25/02/2011)