Wir haben Rübezahl seit ewig nicht gesehen. Meistens ist er zuletzt beim Wirt neben dem Dings aus der Regierung gesessen und hat einen auf hintergründig gemacht. Das war schwierig, weil man nicht gern mit Leuten verfreundet ist, die offiziell einen Besen geschluckt haben. Sonst gilt Rübezahl als umgänglicher Mensch. Als ein bisschen affig wird allerdings seine Art empfunden, über den Dingen zu stehen. Der Weise vom Berge entpuppt sich während der Verbreitung akustischen Füllmaterials, das gewichtig wie Seite drei aus einem Buch von Paulo Coelho klingt, schnell einmal als Zugereister aus dem Bäuerlichen. Diesem Milieu sind Stadtmenschen grundsätzlich suspekt: schnell, oberflächlich, zynisch. Das sind Eigenschaften, die Rübezahl nicht länger miterleben möchte. Er lebt auf dem Land und gibt sich abgeklärt.

Es rechnet auch niemand mehr damit, dass der Dings aus der Regierung die nächste Amtszeit erleben wird. Wir sprechen von seiner Tätigkeit als Einsager von Chefchen. Chefchen ist ein schwacher Mensch mit ebensolcher Performance und schlechter Frisur. Die Regierung ist spätestens zur Sommerpause des Parlaments weg. Das wissen alle. Da werden ihm auch nicht seine Designerbrillen helfen. Rübezahl macht das nichts aus. Er wohnt allein unter Bauern. Bauern denken in Jahreszeiten, Chefchen im Tagesrhythmus. Rübezahl sagt, dass alles, was Chefchen nicht tut, im Wesentlichen ein Glück für das Volk sei. Die Freunde sagen, dass alles, was Rübezahl verhindert, mindestens ein Glück sei. Wir alle haben Rübezahl seit Monaten nicht gesehen. Warum nur musste er einen Besen fressen? (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 18.02.2011)