Leberblümchen

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Wer Garten im Kopf hat, räumt für weiteren, anderen Luxus in der Kalotte kaum mehr Ressourcen frei. Aber gibt es überhaupt Luxus im Garten? Gibt es Pflanzen, die durch ihr seltenes Vor-kommen, ihre angezüchtete Schönheit oder einfach den Preis als prunkende Angeberobjekte oder gar leicht verwitternde, volatile Investitionsgüter gelten?

Durchaus. Für schlanke 5000 US-Dollar konnte man 2005 einen der ersten 292 Wollemia-nobilis-Ableger kaufen, ein Araukariengewächs, das als ausgestorben galt. Nach Hause gekarrt, neben der Garageneinfahrt in die Erde gedrückt und rasch den Preis und die Geschichte in Umlauf gebracht, konnten sich die Besitzer des Tuschelns ihrer Nachbarschaft über ihr luxuriöses Leben sicher sein. Jetzt noch einen Bentley, und sie liegen alle flach. Ebenfalls nicht viel kälter als minus zwölf Grad Celsius sollte es bei einer weiteren Prunk-&- Protz-Pflanze im Winter nicht haben, der Chilenischen Honigpalme Jubaea chilensis. Diese kann, falls man nicht zehn Jahre warten möchte, damit aus dem Bürsterl eine Palme wird, schon bei vier Meter Höhe 10.000 Euro kosten, in Worten zehntausend. Und allein stehend kommt sie auch nicht wirklich so zur Geltung.

Blitzblaue Exklusivität und fragile Arroganz

Während Wollemia und Honigpalme mit ihrer höhenbedingten Auffälligkeit eher etwas für neureiche Proleten darstellen, gebärden sich Hubertusmantel-beschürzte Cottagerer schon dezenter. Zwar soll jeder ihren Reichtum vermuten, aber er darf auch nicht allzu offensichtlich sein. Da kommen die kleinen, asiatischen Leberblümchen gerade recht. Diese Hahnenfußgewächse haben in Japan längst Kultstatus - und entsprechende Preise. So hat Hepatica nobilis var. japonica "Yamahibiki" einen Pflanzerlpreis von mehr als 250 Euro, und es gilt, die gesamte Einfahrt für den Puch G damit zu rahmen. Unter 60 bis 70 Pflanzerln spielt sich da gar nichts ab, dafür besticht das Beet ein paar spätwinterliche Tage lang durch blitzblaue Exklusivität und fragile Arroganz. Sind die Leberblümchen im Frühjahr verrottet, so können die Blätter der Hosta "Frances Williams" um 250 Inselpfund die Herzen ihrer Besitzer freuen und die schattigen Ecken im Garten behübschen, während der Gärtner ein paar Taglilienzwiebel der Zuchtform "One way home" (schon gesehen um Pfund 130 aufwärts) im "mixed border "versenkt. Indes staubt die Hofratsgattin ihre Orchidee Paphiopedilum rothschildianum genervt ab, irgendein Gast hat die letztens als Geschenk mitgebracht. Der elende Staubfänger aus Malaysia wird schon um 1000 Dollar weitergegeben.

Der wahre Luxus unter uns Gartlern und Gärtnern ist jedoch nicht monetärer Natur. Vielmehr schleicht er sich spätnachmittags an den vor Gartenarbeit krummen Gärtner heran, haucht ihm ein imperatives "Lehn dich zurück" ins Ohr und verführt ihn zu einer halben Stunde Müßiggang.

Ohne Finger in der Rabatte, ohne ständiges Hin- und Hergehen zwischen Gerätehaus und Beet und ohne Schlauch oder Gießkanne in der Hand. An deren Stelle ruht nun eine herbstliche Pitschen Tee mit Rum, deren süßer Dampf wunderbar zur aufkommenden Kühle passt - und zum Luxus des Innehaltens. Wer vom Garteln beseelt ist, von Reisen Samen und Stecklinge mitbringt und Ableger herschenkt - der hat sich von der glänzenden Oberfläche des monetären und statusorientierten Luxus längst entfernt. Unter Gärtnern sind alle Menschen gleich. (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/22/10/2010)