Wenn die Tage kürzer werden, gibt die Cosmea noch einmal alles.

Foto: Gregor Fauma

So in etwa stelle ich mir das Gefühl vor, das Pflanzen, im Speziellen Einjährige, im Herbst empfinden. Sie spüren die kalten Nächte, merken deutlich das frühe Dunkeln und vermissen die wärmenden Strahlen einer spät untergehenden Sommersonne. Während wir, Homo sapiens sapiens (gelegentlich), die dicken Socken aus der Lade fischen, den Kragen aufstellen und den Schal wickeln, müssen die armen Krewecherln ohne Schutz schauen, wo sie bleiben.

Sie spüren, dass nun die letzten Möglichkeiten einer Fortpflanzung oder gar Vermehrung wahrzunehmen sind und werfen sich, ähnlich den midlifecrisisdurchschüttelten Parvenus in den Jamón de Bellota aufschneidenden Delikatesshöhlen am Wiener Naschmarkt, noch einmal mächtig in Schale. Aber das kostet sie ebenso Substanz. Substanz, die ihnen der Gärtner doch hoffentlich in Form regelmäßiger Düngerdosage in den Herbst ihres Lebens mitgegeben hat und weiterhin gibt.

Während die alternden Steiger, gedüngt durch Alkohol, versuchen, noch irgendwo bei irgendwem ein Sämchen zu platzieren, reicht den stummen Freunden im Garten eine anständige Ladung Universaldünger, und dann geht die Post ab. So wie bei den Herren die Haare schütter werden, wird bei den Pflanzen, so scheint es, auf Kosten des Laubs noch einmal alle Kraft in die Blüten investiert.

Die letzten Bienen müssen sich im Paradies wähnen, Hummeln kreisen pollentrunken über die Rabatten, und schillernde Käfer laben sich an den Zuckersafterln und Pollen im Blütenkelch wie Kleinkinder an der Zuckerwatte im Wurstelprater. Es kitscht eine biedermeiersche Patina im herbstlichen Garten.

Die Protagonisten im Hof sind dieses Jahr wieder einmal die Rosen in ihren Töpfen, die sattgelb blühenden Topinamburstauden im aufgehackten Beton und auch die so geliebte Cosmea, die ursprünglich aus Mittelamerika kommt, gibt noch einmal alles.

Dieses Gelb, dieses Orange

Doch von nichts kommt nichts, und auch diese herbstliche Aufführung möchte im Frühjahr inszeniert werden. Sobald im Lenz die Temperaturen steigen und der Boden absehbar frostfrei bleibt, streue ich die im Vorjahr geernteten Kosmeensamen an ihren Bestimmungsorten aus und kramperl sie leicht in die Erde ein - und vergesse sie. Die Freude beim Erscheinen ist dann umso größer. Dasselbe geschieht mit den aus Rajasthan mitgenommenen Tagetes-Samen. Dieses Gelb, dieses Orange, das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen.

Und sollten die Nacktschnecken einige Pflanzerl übersehen haben, so verwöhnen einen diese mit ihrem fast schon ordinären Leuchten bis hin zum ersten Frost und darüber hinaus. Die Hindus wissen schon, warum sie die Tagetes für ihre Riten an Shiva und Bhagwati auserkoren haben. Das Farbspektrum einer schönen Glut wird durch das glosende Rot des Feuersalbeis komplettiert. Salvia splendens, wie ihn eh keiner nennt, fängt erst im Herbst so richtig zu treiben an.

Er scheint die Bedingungen zu mögen und schickt eitel eine scharlachrote Blütenquirle nach der anderen ins letzte Gefecht um die summenden Bestäuber. Seine brasilianische Herkunft scheint damit schlüssig, und gemeinsam mit den Tagetes und den Kosmeen tanzt er den Samba seines Lebens. Die Torschlusspanik entpuppt sich Jahr für Jahr als brasilianisch-indischer Farbenrausch im Hernalser Hinterhof, habt Dank! (Gregor Fauma/Der Standard/rondo/08/10/2010)