Grinderman mit ihrem Oberlumpi Nick Cave (re.). Anstrengend, so eine Midlife-Crisis. Vor allem für das Publikum.

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Der Lärm ist geil. Was Nick Cave mit seiner Band Grinderman aufführt, erinnert rein sonisch betrachtet an sein Frühwerk. Als er in den mittleren 1980ern mit einer neu formierten Band, den Bad Seeds, tief in US-amerikanische Mythen eintauchte und ihnen einen neumodernen Blues entriss. Und zwar instinktiv, aus der Ferne, von London und Berlin aus. Daraus resultierten gewalt-, verzweiflungs- und romantikbereite Stücke, die, grob behauen, von einem taumelnden, in dieser erdachten Welt seinen Platz suchenden Sänger herausgebrüllt wurden. Oder geflüstert. Oder gestottert. Später verfeinerte Cave diesen Ansatz, wurde Balladenkaiser und machte eine Weltkarriere, der weder sein Bibel-Vogel noch die daraus resultierende Geschwätzigkeit auf Alben wie No More Shall We Part etwas anhaben konnte. Ein Duett mit Kylie Minogue überlebte er nicht bloß, es wurde gar ein Hit. Der heute 52-jährige Australier richtete sich im Business mit vielen Projekten gut ein, im Vorjahr veröffentlichte er auch seinen zweiten Roman, The Death Of Bunny Munro. Dessen Hauptfigur passt zu Grinderman. Benannt nach einem Song des Blues-Sängers John Lee Hooker, veröffentlichte Grinderman 2007 ein Debüt, das im Zeichen eines No Pussy Blues stand. So hieß nicht nur ein Song, das geilspechtige Gewese durchwehte einen Gutteil des Albums - und auch Bunny Munro ist so ein triebgesteuerter alter Saubartl.

Grinderman 2 entdeckt nun das Erlösungsmittel Viagra. Der ausgehungerte Wolf auf dem Cover des Albums evoziert Ludentum, und schon der Opener Mickey Mouse And The Goodbye Man vermeldet wüst den Vollzug. Mick Harvey, ein Langzeitweggefährte Caves: "Grinderman ist eine Band, in der sich erwachsene Männer wie 14-Jährige aufführen." Das wäre noch kein Problem, aber Grinderman tritt dabei am Stand. Des geifernden, jaulenden Blues-Punk, der sich nur Pausen gönnt, um Cave Platz für seinen Text zu geben, ist man nach drei Songs müde. Sättigung auf brutal. Grinderman ergehen sich in Maßlosigkeit. Elektrische Furze werden seriell abgefackelt, dabei sind die Ausbrüche aus ruhigen Passagen so vorhersehbar wie Harndrang nach Bier. Selbst Balladen wie When My Baby Comes nerven, weil Warren Ellis Nervensäge und Arschgeige spielt und der hochgezogene Lärm in der Mitte des Songs kein Höhepunkt, sondern nur eine Belastungsprobe ist. What I Know, eine Lärmpause mit Laptop-Knuspern, hinterlässt einen dann wieder ratlos. Danach wird es mit Evil wieder wie zuvor. Aufgepeitschter, fast aus der Kurve schießender Lärm-Blues mit Brüll-Refrain.

Erst die letzten drei Stücke wirken profilierter und ausgefeilter. Möglich, dass Cave sich Altweibersommer seines Lebens statt eines Porsches und einer jungen Freundin eben Grinderman leistet, um der Welt seine anhaltende Wildheit zu beweisen. Soll sein. Man muss aber nicht immer dabei sein, wenn sich jemand zum Affen macht. Bleibt die Hoffnung auf das Alterswerk. Aber das wird noch dauern. (Karl Fluch, RONDO/DER STANDARD - Printausgabe, 10. September 2010)