Die Bosna aus der Getreidegasse hat längst Legendenstatus.

Foto: Georg Desrues
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Wer es lieber feiner mag (Festspielgäste etwa), hält sich an die original "Frische" aus Kalbfleisch vom Mirabellplatz.

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Ronny Tiefgraber weiß bis ins Detail, worauf es bei einer Bosna ankommt,: "Zwiebelsenf kommt überhaupt nicht infrage", sagt der Besitzer vom wahrscheinlich legendärsten Würstelstand Salzburgs am Mirabellplatz. "So ein Ragout, bei dem die Zwiebel im Senf gären, das kann gar nichts." Frisch müssten sie sein und von Hand geschnitten. Denn schneide man Zwiebel mit der Maschine, ließen sie Wasser - und würden schnell bitter.

Obwohl eigentlich so gut wie jeder weiß, dass der Balkan erst in Wien, irgendwo jenseits des Rennwegs, beginnt, ist die durch Namen und rohen Zwiebel balkanisch anmutende Bosna der Salzburger Imbiss schlechthin. Erfunden wurde sie angeblich von einem Bulgaren Namens Zanko Todoroff. Leider sind die Erklärungen, warum dieser sein Sandwich also nicht "Bulga" nannte (wäre doch stimmig!), durchwegs unbefriedigend. Todoroff also eröffnete im Jahre 1950 einen winzigen Stand in einer Passage zwischen Universitätsplatz und Getreidegasse und nannte ihn "Balkangrill". Entgegen allen Erwartungen, die der leicht aufgeblasene Name aufkommen lässt, werden hier weder Cevapcici, Pljeskavica noch Brennendes Hunnenschwert, sondern lediglich die schweinernen Bosna-Würstel gegrillt. Schlange stehen muss man so gut wie immer, bevor man aus einer der fünf Varianten - vom puristischen Originalrezept bis zu einer Version mit Ketchup - wählen darf. Angemerkt sei, dass rohe Zwiebel in den balkanischen Küchen zwar tatsächlich gehäuft vorkommen, es sich dabei aber zumeist um Sorten handelt, die ungleich milder und leichter verdaulich sind als die hierorts Angebauten.

Deftig und pikant

Wem die zwiebelige Bosna zu deftig und pikant ist, der kann auf einen anderen typisch Salzburger Imbiss zurückgreifen: "Frische" sind feine, weiße Kalbswürstel im Frankfurter-Format, die aber weder geräuchert noch "vorgebrüht" werden. Letzteres bedeutet, dass das Wurstbrät im rohen Zustand vom "Metzger" (so sagt man hier zum Fleischer) kommt. Das erklärt auch den Zusatz "frisch gebrüht", mit dem man sie oft anpreist. Die "Frischen" sind natürlich gar nicht so weit entfernte Verwandte der Weißwürste, die man in Salzburg - wahrscheinlich, um Missverständnisse zu vermeiden - meistens nur "Münchner" nennt. Petersilie ist zwar keine drin (was man angesichts des unaufdringlichen Geschmacks fast bedauern möchte). Doch angeblich schmecken auch sie am besten, wenn sie vor Mittag an einem der Salzburger Märkte gegessen werden.

So zum Beispiel am wunderbaren Bauernmarkt, den man die "Schranne" nennt, der jeden Donnerstag rund um die Andräkirche abgehalten wird. Zwischen sommerlichen Bergen von Wald-Heidelbeeren, Preiselbeeren und Eierschwammerln betreibt Würstelstandbesitzer Tiefgraber hier allwöchentlich zwei weitere Stände, an denen Würste gebrüht werden. "Meine gesamte Ware kommt von der Metzgerei Lettner im Stadtteil Gnigl", erzählt Tiefgraber. "Der Lettner ist klein genug, damit die Qualität passt, und groß genug, um sie konstant zu halten." Tiefgrabers Stand ist übrigens einer der wenigen in der Stadt, der auch Leberkäse anbietet. Auch der ist vom Lettner und - wie immer in Salzburg - von einer Fleischigkeit, wie man sie sich in Wien nur erträumen darf.

Frisches Gebäck

Im Gegensatz zu anderen Betrieben verwendet Tiefgraber kein aufgetautes Tiefkühlgebäck, sondern lediglich solches, das von der Bäckerei Ursprunger aus Adnet täglich frisch geliefert wird. Präsentiert wird das schöne Sortiment an knusprigem Weißgebäck in einem großen Korb, aus dem es der Gast selbst herauswählen darf. Neben süßen und scharfen Senf gibt's auch Händlmaier's Original Hausmachersenf, den Fans der picksüßen Angelegenheit zu "Frischen" und "Münchner" als unabdingbar betrachten.

Eigentliches Zentrum der Salzburger Street-Food-Kultur ist zweifellos der Universitätsplatz. Trotz seiner bescheidenen Ausmaße beherbergt das hübsche barocke Plätzchen gleich sechs Wurststandln. Gegrillt darf hier allerdings nicht werden. Wofür die meisten der Standler auch Verständnis haben: "Würden wir alle grillen, wäre das für die Luft und den Geschäftsgang in den eleganten Boutiquen eine ziemliche Belastung", meint zum Beispiel die blonde Martina Verma, Wurststandbesitzerin und Salzburger Original.

Des Abends schaut es mit dem Angebot etwas dürftiger aus. Zwar halten die meisten Standln in der Festspielsaison etwas länger offen. Doch nach 19 Uhr wird es in der Altstadt eher schwierig, an eine dezente Wurst zu kommen. Die drei berühmtesten Nachtwürstlstände sind die "Würstlkönigin" am Ferdinand Hanusch Platz; die "Heiße Kiste" - ein Würstelwagen, der allabendlich an die Ecke Schwarz- straße/Staatsbrücke anrollt; und, vor allem, "Matt's Würsteleck" Ecke Franz-Josef- und Rainerstraße. Auch Besitzer Matthias Döllerer weiß, dass es die Qualität ist, die wahres Street Food ausmacht. Er bezieht seine Würste exklusiv von Metzger Stabauer in Mondsee. "Der Betrieb ist so klein, dass ich bei der Qualität mitreden kann", sagt Döllerer. Das Geschäft aber sei heute nicht mehr das, was es einmal war. "Als ich vor 25 Jahren begonnen habe, waren die Kinos noch alle im Stadtzentrum. Und McDonald's gab es in Salzburg nur einen einzigen. Heute sind die Kinos in den Einkaufszentren am Stadtrand, und McDonald's-Filialen gibt es fünf oder sechs." Was nur bestätigt, dass Street Food nicht das Gleiche wie Fast Food und das Zweite der Feind des Ersten ist. Ach ja: Leberkäs bestellt man in Salzburg ausschließlich beim Fleischer. (Georg Desrues/DER STANDARD/rondo/23/07/2010)