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Die Welle überträgt positive Vibrationen aufs Spielfel.

Foto: APA/Holger Hollemann

+++Pro
Von Karl Fluch

Fußball im Fernsehen schauen, das bedeutet Rituale. Und Rituale bedürfen gewisser Vorbereitung. Für Fußballglotzen heißt das erst einmal einkaufen gehen. Grundnahrungsmittel. Chips und Bier. Beim Anrichten der salzigen Knabberteile, die die Biergier hoch halten, läuft TV Party von Black Flag, ein Vorspiel, wie Männer es mögen. Stumpf ist Trumpf. So viel Kultur muss sein. Die Chips topft man um, weil man die Schlacht der 44 Wadeln kommentiert haben will. Also muss man Dauer- rascheln unterbinden. Die Welle, "La ola", einst in Mechiko als Entschädigung für Montezumas Rache erfunden und via Television in alle Welt exportiert, ist auch ein Ritual eines Fußballabends. Im Stadion wie im Wohnzimmer. Sie ist der Sport der Unsportlichen. Die Welle macht man mit Freunden oder allein. Jedes Aufstehen, das vom Wunsch nach mehr Bier oder vom Drang nach dessen Ablass erzwungen wird, ergibt eine Welle. One-man-wave! So wird man eins mit ihr. Am Ende macht man sie nicht nur, man ist die Welle. Oder zumindest in ihr.


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Contra---
Von Doris Priesching

Vor kurzem überraschte eine wissenschaftliche Studie mit dem Ergebnis, dass einander herzende und küssende Fußballspieler die erfolgreicheren sind. Damit erhält, was oftmals mit homophobem Hochmut belächelt wurde, späte Sinnbestätigung: Denn sie wissen, was sie tun. Kicker haben offenbar intuitiv Gespür für die Kraft der Emotion.

Eine ebensolche treibt jene Massen an, die im Stadion ihre Mannschaft anfeuern und zur Welle ansetzen. Ein Mittel, das ganz bestimmt positive Vibrationen aufs Spielfeld überträgt - wo wir schon bei emotionaler Intelligenz sind. Am Fernsehschirm ergibt sich überdies das hübsche Bild der wogenden Menschenfelder.

Welche Kräfte in jenen stecken, die daheim, alkoholgesäuert und salzgebäckverstopft sich in Brachialemotionsausbrüchen mit Individualwellen glauben überschreien zu müssen, will man ja gar nicht wissen. Vermutlich hat es damit zu tun, dass sie sich eigentlich wie die Spieler lieber umarmen würden. Aber das ist jetzt wieder eine ganz andere Geschichte. (Der Standard/rondo/11/06/2010)