Es bedarf ausgeklügelter Organisation, um in den sportlichen Wonnewochen Sozialkontakte und Berufsleben mit dem Turnierplan in Einklang zu bringen.

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+++Pro
Von Johannes Lau

Der Mensch kann nicht alles auf einmal. Besonders eine Fußball-WM führt das vor Augen: Es bedarf ausgeklügelter Organisation, um in den sportlichen Wonnewochen Sozialkontakte und Berufsleben mit dem Turnierplan in Einklang zu bringen. Meistens scheitert man wie der steinrollende Sisyphos und trollt sich verflucht von Chef und geliebten Menschen zur nächsten Sportsbar. Besonders hart trifft es Panini-Jäger, die auch noch zahlreiche Treffen hinter sich bringen müssen, um am Ende ein vollbeklebtes Album zu besitzen. Da muss es erlaubt sein, die Tauschtradition vis-à-vis zu opfern und derlei Aktivitäten ins Internet zu verlagern. Auch bei der WM gilt: Dabei sein ist alles - und das ist schwer möglich, wenn vor dem Spiel noch der Tauschpartner mühevoll überzeugt werden muss, seinen Lionel Messi für nur zwei statt für drei Arjen Robben abzugeben. Solche Transaktionen erledigt man lieber virtuell und kommt so rechtzeitig zur weihevollen Messe auf dem grünen Rasen. Dieser große Zweck heiligt schließlich alle Mittel.

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Contra---
Von Thomas Rottenberg

Dass alles, was funktioniert und nicht ausdrücklich verboten ist, ethisch korrekt ist, wissen wir eh: Karl-Heinz Grasser & Freunde sehen schließlich blendend aus, bekommen im Restaurant die besten Plätze, müssen sich nie hinten anstellen - und kommen in die Seitenblicke. Auch Währungszockern, Heuschreckenfondsmanagern, Ölplattformerrichtern, Landesbankversenkern, Dynamitfischern und Schwammerlspot-per-GPS-Markierern wird mitnichten das Handwerk gelegt: Sie bekommen Prämien und Boni - und schlafen mit Supermodels. Wieso soll der kleine Maxi Fußballerbildchen also "Mann gegen Mann" - tauschen, wenn Web-Foren der Vervollständigungseffizienz und Zeitökonomie Vorschub leisten? Doch das Lamento über verlorene Spannung und Sehnsucht ist müßig. Denn die Wirklichkeit ist noch unromantischer als jede Onlinebörse: Die Tochter einer Freundin hat soeben ihr Spar-Gratisbilderalbum versteigert. Unter ihren Volksschulkollegen. 15 Euro brachte das. So macht man das heute. (Der Standard/rondo/04/06/2010)