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In Bo-Kaap, dem Stadtteil von Kapstadt, in dem die Kapmalaien leben, wird die vielschichtigste Küche Südafrikas zelebriert.

Foto: APA/EPA/Nic Bothma

Als klassisches Einwanderungsland hat Südafrika sich auch in Küchenfragen die längste Zeit an importierten Vorlagen orientiert. Bis in die 1980er-Jahre galt eine diffus frankophile Küchenlinie an besseren Adressen als unvermeidlich. Dem folgte, im Gleichschritt mit internationalen Trends, eine Ära italo-mediterraner Lokale, die im Laufe der 1990er zusehends mit multiethnischen Konzepten (Sushi-Bars, Thai-Restaurants, Tex-Mex-Cafés und dergleichen) durchmischt wurden.

Und genau wie anderswo wurde dabei auch in Südafrika übersehen, dass es im Land selbst kulinarische Einzigartigkeiten gibt, die es mindestens ebenso wert sind, zelebriert zu werden. Nur so ist zu erklären, dass die authentische Küche der Kapmalaien bis dato fast nur in Kapstadt und auch dort hauptsächlich im Viertel Bo-Kaap zu finden ist. In jener Ecke also, in der die Kapmalaien zu Hause sind. Dabei hat die Küche dieser kaum zweihunderttausend Mitglieder starken ethnischen Gruppe die kulinarische Tradition des Lands am Kap ganz wesentlich mitgeprägt - nur eben unbewusst: In dem lange von Rassenwahn geprägten Land war das auch die einzige Möglichkeit.

Alles andere als homogen

Die Vorfahren der Kapmalaien waren die ersten Muslime in Südafrika. Sie kamen im 17. Jahrhundert als Sklaven aus der ehemals niederländischen Kolonie Batavia - dem heutigen Indonesien - ins Land. Ihnen folgten muslimische Inder, Ceylonesen, Javaner und Sundanesen, die verbannt oder verschleppt wurden oder sich freiwillig am Kap der Guten Hoffnung niederließen.

Die Bevölkerungsgruppe ist also alles andere als homogen und hat ihren Namen erst durch die Diktion des Apartheid-Regimes erhalten, das in seinem notorischen Klassifizierungsdrang all jene "Farbigen" (also nicht Schwarze, Weiße oder Inder) darin zusammenfasste, die dem islamischen Glauben anhängen.

Während die Sprachen der "Malaien" nur noch in wenigen Afrikaans-Begriffen des von ihnen mehrheitlich verwendeten Afrikaans weiterleben, sind die Grundpfeiler ihrer Küche noch immer stark in den Gewürzen, Kräutern und Zubereitungsarten der Inseln und Küsten des Indischen Ozeans verwurzelt. Nachdem die malaiischen, indonesischen und indischen Küchenstile stark von verschiedenartigen, importierten Einflüssen geprägt sind, scheint der Versuch müßig, die Ursprünge der kapmalaiischen Gerichte genau zu bestimmen.

Viele Vorfahren der Kapmalaien waren in den Küchen von Niederländern beschäftigt, was folgerichtig zu einem regen Kulturtransfer geführt hat. Bestes Beispiel ist das südafrikanische Nationalgericht Bobotie, eine Art faschierter Braten (aus geschächtetem Rind- und/oder Lammfleisch), der mit Gewürzen wie Koriander, Kreuzkümmel und Kurkuma sowie getrockneten Früchten wie Rosinen und Marillen aufgepeppt und mit Ei bestrichen wird. Dazu isst man meist süßes indisches Chutney oder das scharfe indonesische Sambal.

Koeksisters

Ein weiteres kapmalaiisches Gericht, das es wie Bobotie zu Volksgruppen übergreifender Beliebtheit gebracht hat, sind die süßen Koeksisters, deren Name sich vom holländischen Koek (für Kuchen) ableitet und die an - kräftig gewürzte - gebackene Mäuse erinnern, die vor dem Genuss in Sirup getunkt werden. Sosaties hingegen sind mit einer gekochten, fruchtig süßen Marinade eingelassene Fleischspieße, die beim "Braai" - so der Name einer echt südafrikanischen Grillage heißt (siehe auch S. 22) - nicht fehlen sollten. Dort liegen sie dann meistens neben der Boerewoers, mit der unsere Burenwurst fast genauso wenig zu tun hat, wie die Sosaties mit den malaiischen "Satay"-Spießen, von denen sie (in Kombination mit dem Wort "Sauce") ihren Namen geerbt haben.

Diese Klassiker sind längst Teil der südafrikanischen Nationalküche. Wer aber die Vielfalt kapmalaiischer Rezepte erleben will, der muss sich nach Bo-Kaap begeben. Und dort nach einem Lokal Ausschau halten, in dem man zum Essen noch traditionsgerecht die rechte Hand benutzt - und nicht etwa Besteck. Für ungeübte Finger endet das bei Saucen- und Currygerichten unweigerlich in einer ziemlichen Patzerei. Die aber lässt sich, dank der "Jammerlappies" genannten Wischtücher, zumindest teilweise wieder beheben. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/04/06/2010)