Essen mit Herkunft am Ufer der großen Mühl.

Foto: Mühltalhof
Foto: Mühltalhof
Foto: Mühltalhof

Aufs Erste scheint die Lage des Hotels Mühltalhof im oberösterreichischen Neufelden wenig spektakulär: Ringsum drängeln sich die Hügel des oberen Mühlviertels um die beste Aussicht, das Hotel aber sitzt vergleichsweise eng im Tal. Der besondere Charme, das eigentlich Bezaubernde an diesem Ort offenbart sich erst auf den zweiten Blick - das scheint überhaupt so etwas wie das Motto dieses sehr individuell geführten Hauses zu sein.

Aber schön der Reihe nach. Wenn man nämlich erst einmal das Zimmer bezogen hat - groß, mit Augenmaß und Gefühl für die Formensprache der klassischen Moderne möbliert - und nach dem Essen in die mit Mühlviertler Leinen bezogenen Federn gesunken ist, um am Morgen von der Sonne in der Nase gekitzelt zu werden, die sich vor den Fenstern im Wasser der Mühl spiegelt - spätestens dann wird einem bewusst, dass die Lage im Tal sich keineswegs nachteilig auf den Lichteinfall oder die Aussicht auswirkt. Im Gegenteil.

Herausragende zeitgenössische Kunst

Es ist nämlich so, dass der Fluss hier akkurat Richtung Süden fließt. Damit öffnet sich das Tal just so zur Sonne, dass man als Gast des Mühltalhofs den ganzen lieben Tag lang in der Sonne sitzen und im Sommer im Fluss baden kann, der hier durch eine alte Wehr zum spiegelglatten, glasklaren Bassin aufgestaut wird. Besonders eisenreich soll sie übrigens sein, die Mühl, weshalb lokale Mediziner bei Hautproblemen zu besonders ausgedehntem Planschen raten.

Das Haus gehört seit Jahrhunderten Familie Rachinger. Gegenwärtig wird es von der Tochter des Hauses, Johanna Eckl, geführt und von Sohn Helmut Rachinger bekocht. Dessen Frau Ira kümmert sich um den Schönheitsbereich, Johanna Eckls Mann Joachim ist Künstler, hat mit Jeff Koons ebenso gearbeitet wie mit Christo und Jeanne-Claude und pflegt seine Freundschaften in der internationalen Kunstwelt nachhaltig. Anders ist nämlich kaum zu erklären, warum man sich in diesem Haus derart geballt von herausragender zeitgenössischer Kunst umgeben sieht.

Als nachhaltig lässt sich auch der Küchenstil von Helmut Rachinger beschreiben: Nachhaltig köstlich sowieso, der Mühltalhof hält seit Jahren bei zwei Hauben. Doch der spezifische Wohlgeschmack von Rachingers Kreationen geht einem auch nicht so bald aus dem Sinn, wenn man sie einmal gekostet hat. Die Art, wie hier mit wenig Fett, oft mit scheinbar bescheidenen Zutaten, aber immer mit besonderer Sorgfalt und verblüffender Kombinationsgabe (und besonderem Augenmerk aufs Gemüse!) gekocht wird, das zeugt von einer ganz eigenen Handschrift - eine Gabe, die in der österreichischen Küchenlandschaft bekanntlich nicht besonders ausgeprägt ist.

Rachinger holt die Produkte für seine Gerichte so gut wie ausnahmslos aus der unmittelbaren Umgebung. Wildkräuter, denen eine wesentliche Rolle in seinen Gerichten (wie etwa bei den Brennnessel-Maultaschen mit Hendlgrammeln und Hanfölsabayon, Bild oben rechts) zukommt, sammelt sich die Küchenmannschaft auf den umliegenden Wiesen; Pilze und Gartenfrüchte kommen von Leuten aus der Umgebung, die edlen Öle, mit denen Rachinger oft verblüffende Geschmacksakkorde erzielt - wie bei der Kombination aus pochiertem Rhabarber und Zweigeltkernöl zu einer butterzarten Lammleber - kommen aus der nahen Mühle in Haslach. Besonders sympathisch: Rachinger kommt bei aller Kreativität ohne das in dieser Kategorie sonst unvermeidliche, wagemutig geschwungene Gourmetgeschirr aus - im Gegenteil. Seine Kreationen werden vorzugsweise ganz unaufgeregt auf jenen Tellern aufgetragen, die das Hotel noch in einer "historischen" Ansicht, lange vor dem Umbau, zeigen. Auch das ist gelebte Nachhaltigkeit. (Severin Corti/Der Standard/rondo/16/04/2010)