Der Luxus-Lexus RX 450h

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Mit dem BMW X6 Hybrid sorgten die Bayern für Aufsehen. Umweltfreundliche Technik als Deckmantel für weit über 400 PS.

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Der Opel Ampera wird von einen Elektromotor angetrieben, der bei leeren Akkus von einem Verbrennungsmotor seinen Strom bekommt.

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Den hätte man einst kaufen müssen, meint Rudolf Skraics.

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Wenn das Auto an sich schon der größte ökologische Sündenfall des Wohlstandsmenschen ist, warum sollte man sich nicht gerade hier besonders mit klugen Assoziationsketten des Besserungswillens hervortun? Kein anderes Ding, das uns täglich umgibt, bietet mehr Möglichkeit, der Welt zu zeigen, dass wir ganz vorn mit dabei sind, nicht nur wenn es um deren Zerstörung geht, sondern im gleichen Atemzug auch bei der Rettung.

Schon die Anschaffung eines Automobils stellt einen Argumentationsmarathon dar. Denn die Ausgangslage ist prekär: In dem Moment, in dem du ein Auto kaufst, wurde zuvor bei seiner Herstellung schon mehr Mist gemacht, als ein ganzes indigenes Volk im Amazonas-Regenwald in einem Lebenszyklus schafft. Da bist du noch nicht einen Kilometer gefahren. Man könnte schnell zu dem Schluss kommen: Autokaufen sei per se unmoralisch. Schon beim ersten Gedanken an ein Auto entsteht also enormer Erklärungsbedarf. Das Auto eignet sich demnach hervorragend für eine Nachhaltigkeitsdiskussion.

Von Anfang an hat uns das Automobil immer nur Schwierigkeiten gemacht: der Lärm, der Gestank, der Staub und dann auch gleich zerquetschte Leiber. Wen wundert es, dass viele zu dem Schluss kamen, das Auto würde sich wohl nie durchsetzen. Aber gerade die Problemlösungsszenarien stellten die größte Triebfeder des Erfolges dar. Der Soziologe Klaus Kuhm hat den Erfolgsmechanismus des Automobils erforscht und ist sinngemäß zu dem Schluss gekommen: "Da ist immer ein Problem, das gerade noch gelöst werden muss, und dann ist die Welt in bester Ordnung." Auf diese Art hantelt sich das Automobil bis heute erfolgreich durch die Geschichte. Was konnte schon Besseres passieren, als in das Kreuzfeuer der Umweltkritik zu geraten?

Denn weil die Technik des Automobils mittlerweile kaum mehr Probleme macht, scheint es wie ein Segen für eine Prolongation des Höhenfluges, dass wir jetzt vor der großen Herausforderung namens Nachhaltigkeit stehen, wo das Auto wieder einmal in den Genuss kommt, eine äußerst exponierte Rolle einzunehmen. Und wir können uns hinstellen, um einen wertvollen Beitrag zur Rettung der Welt zu leisten. Ohne Auto könnten wir bestenfalls ein bissl unserem Nachbarn helfen.

Sparsamkeit ohne Verzich
Herrlich: Wo wir nur hinsehen, gibt es Probleme zu lösen. Und wir sind mittendrin. Und alles, scheinbar gar alles, lässt sich irgendwie vernünftig argumentieren. Wir fahren ein Luxusauto mit Hybridantrieb mit weit jenseits von 400 PS, ein Weltrettungs-Technologiepaket von gigantischem Ausmaß von annähernd zweieinhalb Tonnen, das in nur etwas mehr als sechs Sekunden 100 km/h erreicht. Sparsamkeit ohne Verzicht, trotz aller Üppigkeit ist das gute Gewissen serienmäßig. So hören wir es jedenfalls am liebsten.

Da haben wir es also: Mit Bescheidenheit die Welt zu retten wäre zwar rasch umzusetzen und hocheffizient, für die Umwelt wohl, aber gewissermaßen Mord an der Wirtschaft im Affekt. Wer will das schon riskieren? Nachdem uns Lexus mit seiner Luxuslimousine LS 600 h und dem Geländesportwagen RX 400 h eine saubere, aber auch eitle, fast arrogante Autozukunft skizziert hat, greift nun auch Europa ins Volle: Die Premiumhersteller haben ihre ersten Hybridautos auf den Markt gebracht. BMW folgt dabei seiner Diktion am konsequentesten: Der X6 Hybrid zeigt auf, wenn schon Hybrid, dann holen wir gleich noch mehr Dynamik heraus, und wenn Porsche zum Thema Hybrid spricht, klingt das naturgemäß auch nicht anders.

Richtig spannend wird es aber erst nächstes Jahr. Da rollt nämlich der Opel Ampera auf uns zu, ein Elektroauto mit Range Extender, also verlängerter Reichweite. Das ist wirklich neu, mehr als die Verschränkung einer bewährten Technik mit einer grünfarbigen Ideologie. Mit den Batterien kommt der Ampera ungefähr 60 Kilometer weit, dauert die Fahrt länger, schaltet sich ein kleiner Verbrennungsmotor ein, der die Batterie nachlädt. Damit kommt nicht nur eine neue Technologie daher, so etwas könnte unser ganzes Leben verändern und unser alltägliches Verhalten. Das wäre die Sensation: General Motors, gerade noch dem Sensenmann von der Schaufel gehupft, rettet mit einem riskanten Konzept (den Opel Ampera wird es auch als Chevrolet Volt geben) die Welt und gibt mit einem Mal die Richtung vor, anstatt der Avantgarde ein bisschen hinterherzuhoppeln.

Vorerst gilt aber noch: jedes Auto sein eigenes Weltrettungspaket, und nicht nur Reich und Schön sind mit von der Partie. Mit Start-Stopp-Automatik und Hochschaltanzeige versuchen wir schon bald alle, der Sünde zu entgehen und uns auf die Seite der Guten zu schlagen. Und das Allerbeste: Zum ersten Mal in der Geschichte des Automobils dürfen wir auf ein kleineres Modell umsteigen, ohne beim Nachbarn als Versager zu gelten.

Zeichen der Zeit
Die künftige Ausrichtung des Automobils lässt uns an die Lebensmittel-Industrie denken: voller Geschmack, aber weniger Fett und Zucker. Immerhin: Durch bessere Verdauung der Kraftstoffe entsteht weniger klimaschädliches Kohlendioxid, vorausgesetzt, wir kompensieren das nicht durch häufigere Benutzung. Der Spagat ist immer der gleiche: Wer spricht da von weniger Verbrauch? Wir wollen mehr, nämlich mehr Sparsamkeit.

Und hier ein Extratipp: Falls Sie gerade erst jetzt auf die Idee gekommen sind, das Automobil als plakatives Transportmittel Ihrer ökologischen Gesinnung zu benützen, kaufen Sie einen gebrauchten Audi A2 und tun Sie so, als ob Sie ihn schon immer besessen hätten. Dann gehören Sie nämlich zu den Pionieren, die die Zeichen der Zeit als Erste erkannt haben. Denn: Das Einzige, was fix ist in unserem Leben, ist unsere Vergangenheit. Die Herausforderung dabei: Dieser Kleinwagen mit Alu-Karosserie wurde zwischen 2000 und 2005 gebaut, verkaufte sich nur schleppend, ist folglich Mangelware und erreicht deshalb heute extrem hohe Preise auf dem Gebrauchtwagenmarkt.

Slow Food als mittlerweile mächtige Bewegung gegen alle Spielarten von Schnitzelmaximierung, das haben die meisten ja ganz gut verstanden. Jetzt stellt sich die Frage, ob auch so etwas wie Slow Drive möglich ist, also ein mächtiger Trend zur umwelt- und nervenschonenden automobilen Fortbewegung, eine Entwicklung, die mehr enthält als prolongierte Leistungseskalation im grünen Tarnanzug. (Rudolf Skarics/RONDO/9.4.2010)