"Casa Camper"

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In einem wohnlichen Mix aus Hacienda-Stube und Lounge ist man in den 51 Zimmern des Neubaus aus Stahl und Glas zu Hause.

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Übersichtlichkeit, der Hang zu Botschaften und viel Designliebe im Detail kennzeichnen das zweite Hotel des Schuhherstellers.

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Miguel Fluxá, Vize-Chef bei Camper und für neue Projekte verantwortlich.

Foto: Hersteller

Ingo Petz traf einen der Camper-Bosse, Miguel Fluxá, und fragte nach, warum er nicht nur bei seinen Leisten bleibt.

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Natürlich wirkt einer wie Miguel Fluxá ausgeglichen, in sich ruhend, wie ein mallorquinischer Fels in der Brandung, so wie er in dem schweren Ledersessel sitzt und draußen der Mond vom Berliner Himmel glüht. Hier in der Lounge im obersten Geschoss des neuen Berliner Hotels "Casa Camper" scheint die Welt, so wie sie nur auf einer Insel sein kann.

Fluxá, schwarze Intellektuellenbrille, legeres Sakko, geübter Smalltalker, führt mit seinem Bruder und Vater das Unternehmen Camper (Spanisch: Landsmann, Bauer), das schöne Schuhe macht, mit denen man die Welt verbessern will. Zudem betreibt "Camper" zwei Hotels unter dem Namen "Casa Camper". Eines in Barcelona und seit kurzem eben eines in Berlin. Wer etwas von Schuhen versteht, die auf der ganzen Welt ihren Absatz finden, der weiß wohl auch, wie man gut haust, oder? "Es stimmt. Wir haben aufgrund unserer Schuhe eine starke Design-Affinität", sagt Fluxá. "Aber es gibt für uns keine wirkliche Linie zwischen den Schuhen und den Hotels. Dennoch lag für uns die Idee, Hotels zu eröffnen, irgendwie nahe. Es war ein Bereich, in dem wir uns versuchen wollten, weil wir das Gefühl hatten, dem Hotelgewerbe etwas geben zu können, was ihm bis dahin fehlte. Aber die Schuhe bleiben selbstredend das Hauptgeschäft."

Vor vier Jahren eröffnete das traditionsreiche mallorquinische Familienunternehmen, dessen Schuhe durch Funktionalität, Schlichtheit und einen neo-hippiesken Überbau (Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Langsamkeit, Gesundheit, Umweltbewusstsein etc.) auffallen wollen, sein erstes Hotel in Barcelona - ein Hotel, das schnell Fans und Freunde unter den Wohlfühl-Nerds fand (und gerade nicht unter den Wellness-Freaks). Unter denjenigen also, die das Hotel-Erlebnis und Luxus als eine Art durchgestylte Wohn-Normalität schätzen und nicht als überbordendes Schickimicki-Programm.

Hang zu Botschaften

Klare Linien, Funktionalität und Service vermischten sich in dem barcelonischen 25-Zimmer-Haus im Stadtteil El Raval zu einem Konzept, das mit der Bezeichnung "Design"- oder "Boutique"-Hotel nur unzureichend erklärt wäre. "Ich würde das eher als ,Haus-Hotel' bezeichnen", sagt Fernando Amat, einer der Designer des neuen Berliner Camper-Hotels, das im teuren, trendigen Szene-Bezirk Mitte der deutschen Hauptstadt zwischen Waldorfschule, Luxusbrotladen und dem Umschlagplatz für Second Hand-Design-Schätze "Waahnsinn Berlin" sein Zuhause gefunden hat. "Bei uns soll man sich daheimfühlen, das Haus ist ein Platz zum Wohnen. Es soll alles möglichst einfach, aber durchdacht sein. Zudem hasse ich es", erklärt der kleine Mann mit den schütteren, langen grauen Haaren und der angenehm ruhigen Stimme, "wenn ich im Hotel nichts finde." So wurde in den Duschen sogar die Armatur großzügig beschriftet, damit man auch gleich das warme Wasser findet. Amat zeigt auf eine große Berlin-Stadtkarte, die in jedem der 51 Zimmer des Neubaus aus Stahl und Glas zu finden ist. "Wir haben die Karte neu designt, die wichtigsten Orte eingetragen und das Unnütze weggelassen. Damit man weiß, was wichtig ist."

"Casa Camper" hat nicht nur einen Hang für das gut gestylte Interior-Detail, wie man auch an den formschönen Türknäufen, den berühmten Mailänder Splügen-Bräu-Lampen von Achille und Pier Giacomo Castiglioni im Empfangsbereich oder den Duschen, in denen man buchstäblich in der Stadt badet, weil ein Fenster den Blick in die Stadt offenlegt, deutlich erkennen kann.

Die Spanier haben auch einen Hang zu Botschaften, auch zu durchaus plakativen Botschaften. So fragt man sich, ob Hinweise wie "Gehe zu Fuß, es ist gesünder", der einen dazu bewegen soll, statt des (wirklich schnöden) Lifts die Stiegen zu benutzen, nicht auch ein wenig penetrant sind. Schließlich will man bei einem Hotelaufenthalt nicht wirklich belehrt werden. Oder ist es so, dass der Camper-Besucher solche Belehrungen gar erwartet, damit er sich als Teil einer eingeschworenen, besseren Welt fühlen darf? Dass der Gast eine etwas abseitige, unwirkliche Welt betritt, die vor allem für Menschen bestimmt ist, die Unterkünfte abseits vom Hotel-Einheitsbrei suchen, wird gleich beim Empfang klar: Die Decke ist mit schwarzen Vorhängen behangen, die ursprünglich aus der Theaterwelt stammen.

Bouroullecs gestalten Restaurant

Im Erdgeschoß befindet sich auch das zum Hotel gehörende Restaurant Dos Palillos (bezeichnet im Spanischen Stäbchen bzw. die Spieße, mit denen man Oliven isst). Die Gäste in diesem Restaurant von Albert Raurich (ehemals Chef de Cuisine im legendären Restaurant elBulli) befinden sich im Mittelpunkt des Geschehens: In der von allen Seiten einsehbaren Showküche werden vor ihren Augen asiatische Gerichte im Tapas-Stil zubereitet. Die Brüder Ronan und Erwan Bouroullec aus Paris und Stars des Industrie-Designs haben das Dos Palillos gestaltet und eingerichtet.

Ganz günstig ist der Zugang zu dieser Wohlfühl-Welt natürlich nicht zu haben. Ab 150 Euro kosten die in warmen rot-grau Tönen gehaltenen und tageslichtgefluteten Zimmer pro Person und Nacht. Auf die Frage, ob das nicht etwas zu gut kalkuliert sei, reagiert der smarte Fluxá mit einer Gegenfrage, einer rhetorischen versteht sich. "Was ist so ein Preis schon, wenn es einem wert ist, für dieses Erlebnis zu bezahlen?" Irgendwie hat der Mann ja recht, auch wenn der Satz klingt, als habe Fluxá ihn im Baukasten für gehobelte PR-Sätze gebastelt.

Außerdem darf man sich zu diesem Preis im obersten Stockwerk des Neubaus im sogenannten Tetenpié an den kostenlosen Snacks, Salaten und Getränken erfreuen, in einer Atmosphäre, die zwischen Hacienda-Wohnzimmer, Bar und Lounge daheim ist. Mit einem ausladenden Blick auf das pochende Herz Berlins. Und wenn dann der Mond am schwarzen Hauptstadt-Himmel wie ein Feuer glüht und man mit einem Whisky auf die hell erleuchteten Büros im gegenüberliegenden SAP-Gebäude blickt, wo noch gehetzt und geschuftet wird, dann erst wird einem so richtig wohl auf diesem abseitigen Hotel-Planeten. (Ingo Petz/Der Standard/rondo/18/12/2009)