Jean Paul Gaultier Rose 'N' Roll, EdT 50 ml, EURO 62

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Comme des Garçons Glitter, EdP 50ml, EURO 67

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Stella McCartney Nude, EdP 50 ml, EURO 61,90

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Polo Modern Reserve, EdT 59 ml, EURO 57

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Dolce & Gabbana the one, EdP 50 ml, EURO 70

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Clinique Elixir Flower Bottle, EdP 100 ml, EURO 94

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DER STANDARD: Benutzen Sie selbst Parfums?

Avery Gilbert: Ja, aber immer unterschiedliche. Ich weiß meistens gar nicht, was ich trage. Prinzipiell liebe ich schwere Gerüche, ich bin mit ihnen aufgewachsen. Diese Vorliebe werde ich nicht los. Ich mag auch gern Chili im Essen.

DER STANDARD: Wie hat Ihr professioneller Umgang mit Gerüchen Ihren Geruchssinn verändert?

Gilbert: Sie lenken mich von der Person ab. Riecht jemand gut, dann achte ich eher auf den Geruch als auf die Person.

DER STANDARD: Viele denken, der Geruchssinn von Menschen sei schlechter als der von Tieren. Das stimmt nicht.

Gilbert: Genau, wir denken, Nasen von Hunden oder Hasen seien besser als die unsrigen. Vielleicht hat das damit zu tun, dass es keine menschlichen Verhaltensweisen gibt, die direkt mit Riechen verbunden sind. Wir stellen niemanden an, um ihn nach Bomben schnüffeln zu lassen. Eine Ausnahme gibt es: Parfümeure.

DER STANDARD: Eine aussterbende Gattung. Wie viele Nasen gibt es heute noch?

Gilbert: Es ist ein Mythos, dass es immer weniger Nasen gibt. Allein in Nordamerika schätze ich die Zahl an Parfümeuren auf 300 bis 600. Die meisten sind Menschen wie du und ich. Man möchte sie eigentlich gar nicht kennenlernen, so langweilig sind sie.

DER STANDARD: Wie wird man Parfümeur? Haben sie einen überdurchschnittlich gut ausgeprägten Geruchssinn?

Gilbert: Nein. Ich habe Parfümeure getestet und dabei herausgefunden, dass ihre Nasen durchschnittlich sind. Aber sie trainieren, Gerüche voneinander zu unterscheiden bzw. sich vorzustellen, wie Geruchskombinationen riechen. Letzteres ist eine mentale Fähigkeit. Es geht nicht darum, die Nase zu trainieren, sondern das Gehirn. Die meisten Menschen haben übrigens einen guten Geruchssinn.

DER STANDARD: Wie kann man das selbst testen?

Gilbert: Achten Sie einfach darauf, wie Ihre Umgebung riecht, das Essen, Ihre Mitmenschen. Welche Parfums verwenden sie? Man muss lernen, sich auf Gerüche zu konzentrieren. Weinkenner machen auch nichts anderes.

DER STANDARD: Es gibt das perfekte Ohr. Gibt es auch eine perfekte Nase?

Gilbert: Wir können nur testen, ob man einen durchschnittlichen Geruchssinn, aber nicht, ob man einen perfekten hat. Wir wissen gar nicht, was das sein könnte. Alle Geruchstests wurden für Menschen entwickelt, die eine Störung des Geruchssinns haben. Für Menschen, die einen Unfall hatten, zum Beispiel.

DER STANDARD: Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, was den Geruchssinn anbelangt?

Gilbert: Die gibt es. Frauen riechen besser. Sie sind sensibler, sie riechen Gerüche in niedrigeren Konzentrationen, sie sind auch besser darin, Gerüche zu beschreiben. Aber die Unterschiede sind nicht sehr groß.

DER STANDARD: In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Fürze von Frauen mehr stinken als jene von Männern.

Gilbert: Das nennt man wohl ausgleichende Gerechtigkeit. Aber im Ernst: Unsere Untersuchungen haben das jetzt auch wissenschaftlich bestätigt.

DER STANDARD: Warum ist der Geruchssinn der am meisten vernachlässigte aller Sinne?

Gilbert: Bis vor kurzem wussten wir wenig über die biologischen Vorgänge beim Riechen. Was passiert, wenn Geruchsmoleküle auf unser Nervensystem treffen und dieses Signale ans Gehirn sendet? Bis 1991 Rezeptoren im oberen Teil der Nase gefunden wurden, die kleine Proteinkomplexe an der Oberfläche haben, die die Geruchsmoleküle auffangen. Sie sind der Schlüssel, die Vorgänge genauer zu beschreiben.

DER STANDARD: Das ist die wissenschaftliche Seite. Warum spielt der Geruchssinn im Alltag eine untergeordnete Rolle?

Gilbert: Es stimmt, wir beachten Gerüche kaum bzw. nur, wenn sie sehr stark sind. Gerüche können uns angenehm oder unangenehm berühren, aber wir registrieren das meist gar nicht. Wir nehmen das eher unterbewusst war. Außer beim Essen.

DER STANDARD: Warum sind manche Gerüche angenehmer als andere?

Gilbert: Das ist wohl evolutionär bedingt: Florale, fruchtige oder süße Gerüche mögen wir, auch grasige oder hölzerne Düfte. Fäkalgerüche, verwesende Gerüche dagegen gar nicht. Aber auch da gibt es Unterschiede: Manche Käsesorten riechen wir gerne, obwohl sie einen Verwesungsgeruch verströmen.

DER STANDARD: Bei Parfums gibt es Trends. Ändern sich Geruchspräferenzen mit der Zeit?

Gilbert: Parfums sind Teil der Modeindustrie. Sie müssen sich genauso oft ändern wie die Mode. Wie wir auf Gerüche reagieren, ist in erster Linie eine mentale Angelegenheit. Nur weil ein Geruch das Molekül X beinhaltet, heißt das noch lange nicht, dass es gut oder schlecht riecht. Ein Moschusduft etwa kann bedeuten: sexy Mann, stinkende Ziege oder auch frische Wäsche. Der Kontext ist wichtig.

DER STANDARD: Sollten Parfümeure ausgebildete Psychologen sein?

Gilbert: Parfümeure haben in der Regel keine Ahnung, was die derzeitigen Trends sind. Es gibt noch einen weiteren Beruf in der Parfumindustrie, der mindestens genauso wichtig ist wie jener der Parfümeure: Das sind die Parfum-Bewerter. Während der Parfümeur meist männlich ist, ist die Parfum-Bewerterin weiblich. Das ist eine interessante Dynamik. Sie kennt den Markt, weiß, welche neuen Noten populär sind.

DER STANDARD: Welche sind derzeit besonders populär?

Gilbert: Die Achtziger waren von Düften wie Giorgio oder Opium dominiert, sehr schweren Parfums, in den Neunzigern gab es dann viele leichte Düfte, etwa die Unisex-Parfums wie CK 1. Derzeit passiert etwas ganz Spannendes: Die Trends gehen Richtung Nischenparfums. Oftmals stecken Parfümeure dahinter, die ihre eigene kleine Marke aufbauen und ihre Produkte sehr teuer verkaufen.

DER STANDARD: Sehnen sich die Kunden nach etwas Besonderem?

Gilbert: Das Marketing der großen Marken hat oftmals nichts mit dem zu tun, wie wir Gerüche wahrnehmen. Durch das Internet haben kleine Parfummarken jetzt die Chance bekanntzuwerden. Wer kannte etwa Frédéric Malle noch vor einigen Jahren? Parfümeure hatten bis vor kurzem kein Gesicht. Derzeit basteln sie sich selbst eines. Für mich ist das die aufregendste Entwicklung seit Jahrzehnten. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/11/12/2009)