Michael Pollan, "Lebensmittel", EURO 8,20, Goldmann, 2009

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Einer der einfachsten Vorschläge für gesündere Ernährung ist der, den wir alle am wenigsten gern hören. Er lautet schlicht: "Essen Sie weniger." Michael Pollan erlaubt sich erst gegen Ende seines nunmehr vierten Buches zu diesem unangenehmen Schluss zu kommen.

Doch er begründet ihn ebenso sorgfältig und plausibel, wie er auf vielen Seiten zuvor die Untugenden des vorproduzierten Fraßes geißelt, der in unser aller Supermärkten in den vergangenen Jahrzehnten zum Stand der Ernährungsdinge erklärt wurde. Pollan zerpflückt wie wohl kein anderer zuvor mit präziser Recherche die milliardenschwere LebensmittelMarketing-Maschine, die uns fett und ungesund macht, während sie uns beständig vorgaukelt, mit ihren Produkten unsere Abwehrkräfte zu stärken und uns dringend erforderliche Mindestvitaminmengen zuzuführen.

Wir leben im Zeitalter des Nährstoffwahns, der Cholesterinhysterie und des Diätenirrsinns, und all das ist ein großes, sehr gut gehendes Geschäft. Derlei raffinierte, industriell hergestellte und mit künstlichen Aromen und anderen Stoffen aus den Labors abgerundete "Speisen" sind für Pollan höchst ablehnenswerte Nahrungs-, aber noch lange keine Lebensmittel. Was den Unterschied ausmacht, erklärt er genüsslich in amüsant-lesenswerter Manier. Die Lebensmittel und das Essen müssten verteidigt werden, poltert er, und zwar "gegen die Ernährungswissenschaft auf der einen und die Lebensmittelindustrie auf der anderen Seite."

Unraffiniert, ursprünglich erzeugt und frisch

Alles, was den Glauben unterminiert, "dass es bei Lebensmitteln in erster Linie um die Ernährung geht und diese eine so komplizierte Angelegenheit ist, dass nur Experten und die Industrie sie zur Verfügung stellen können", ist Pollan nur recht. Sein Fazit: Gutes Essen ist möglichst unraffiniert, ursprünglich erzeugt und frisch. Außerdem rasch verderblich, daher intakt und unbehandelt. "Essen Sie Lebensmittel, nicht zu viel und vorwiegend Pflanzen." Und: Werfen Sie jeden Glauben an Ernährungsindustrieslogans und Diätgurus aus Ihrer Küche.

Zu guter Letzt steht das Plädoyer für eine partielle Selbstversorgung aus dem eigenen Garten: "Wenn Sie sich in den komplizierten und unendlich interessanten Vorgang einklinken, selbst für Ihre Ernährung zu sorgen, ist das der sicherste Weg, der Fastfoodkultur und ihren impliziten Werten zu entkommen."

Und letztlich zu erkennen, dass Nahrung kein Produkt der Industrie ist, sondern der Natur. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/04/12/2009)