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Die Burg von Kolossi - ein imposantes Überbleibsel der fränkischen Herrschaft über Zypern.

Eine Weintraube ist nicht alles, was von Richard Löwenherz auf Zypern übriggeblieben ist. Verigo heißt die Sorte, die man entdecken kann, wenn man durch die Markthalle der Hafenstadt Limassol schlendert. Sie gilt als die beste der Insel - was auch der König der Engländer so sah. "Very good, very good" soll er gesagt haben, als er sie kostete, was dann zu "Verigo" verballhornt worden ist.

Die Geschichte ist gut, aber wohl falsch, da der Monarch mit dem Mut eines Löwen hauptsächlich französisch gesprochen hat. Dass er Limassol aber sehr gut fand, ist durchaus möglich, aus privaten und militärischen Gründen.

Im Mai 1191 ging er hier in der Bucht, an deren Rändern heute die Hotels aufragen, an Land. Isaak Komnenus, der selbsternannte byzantinische Kaiser von Zypern, hatte gedroht, Richards schiffbrüchige Verlobte und seine Schwester als Geisel zu nehmen. In der nahen Ebene bei Kolossi, wo die Johanniter später die noch heute erhaltene Burg bauten, besiegten Löwenherz und seine Kreuzritter den Kaiser, am 12. Mai heiratete er seine Verlobte in Limassol.

Innerhalb von drei Wochen eroberte Richard die Insel - und prägte sie damit bis in die Gegenwart. Fast 400 Jahre lang sollten die Franken, wie die katholischen Westeuropäer pauschal genannt wurden, Zypern als letzte Station der Christenheit im östlichen Mittelmeer regieren, die Wirtschaft ankurbeln und ihre Bauten zurücklassen - die heute nicht auf den touristischen Hauptrouten liegen.

Wie die Überreste einer Sommerresidenz der fränkischen Könige in Agios Sozomenos. Über schmale Landstraßen und fast ausgedörrte Flussläufe kommt man zu den Ruinen im Windschatten der Demarkationslinie zum türkisch besetzten Teil. Die Überreste der gotischen Kirche sind noch gut erhalten - drei Bögen stehen in der kargen Landschaft. Auch die Tür, durch die die blaublütigen Bewohner zur Messe geschritten sind, ist da. Daneben sind die Überreste des Sommerpalastes erkennbar, in den sich das Herrschergeschlecht der Lusignans aus der Hauptstadt Nikosia zurückgezogen hat.

Wer buntere optische Eindrücke benötigt, um die Welt des Mittelalters nachvollziehen zu können, muss nur 20 Kilometer weit nach Pyrga fahren. In dem Dorf steht die "Königliche Kapelle", die 1421 von Janus de Lusignan erbaut worden ist. Fast 600 Jahre später leuchten die kräftigen Farben der Wandmalereien noch immer. Bilder, die nicht nur Glaubensgeschichten erzählen, sondern nebenbei zeigen, wer das Sagen hat: Gegenüber des Haupteinganges hat sich der Erbauer samt Gattin zu Füßen des Gekreuzigten malen lassen.

Wer noch mehr zypriotisches Mittelalter will, kann sich auch in den Nordteil der Insel wagen. Etwa auf die 800 Meter hoch gelegene Ruine der Burg von Kantara. Neben zerfallenden Türmen, Kammern und einem Plumpsklo bietet sie eine grandiose Aussicht. Die übrigens auch "Kaiser" Isaak Komnenus gekannt hat. Hier wurde er nach seiner Niederlage eingekerkert. In Silberketten - denn Richard hatte versprochen, ihn nicht in Eisen zu legen. Aber das ist wohl nur eine weitere Legende, die zum Erbe des Löwenherz gehört. (Michael Möseneder/DER STANDARD/Printausgabe/28.11.2009)