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Nächtens schwärmen sie aus und bringen Brachen zu neuer Blüte.

Ein Beispiel aus Wien: Als in den U-Bahn-Stationen der Bundeshauptstadt das Rauchverbot die dort aufgestellten Aschenbechercontainer überflüssig machte, wurden die nicht gleich entsorgt, sondern erst einmal mit Nichtraucher-Warnklebern unschädlich gemacht.

In eines dieser sinnlos gewordenen Behältnisse pflanzte irgendwann ganz unbemerkt ein unbekannter Guerilla-Gärtner eine kleine Blume, und zwar eine gelb-rote Studentenblume. Und neben das Rauchen-verboten-Pickerl klebte er oder sie ein Schildchen mit einer Gießkanne: Anonyme Pflege also erwünscht und erlaubt.

Man stelle sich vor: Nächtens schwärmen kleine Truppen geheimer Gärtnerinnen und Gärtner in die Stadträume aus, versenken Blumenzwiebeln in Baumscheiben, graben brachliegende Erdflächen um, pflanzen Stauden und Gräser, streuen Samen auf Unkrautflächen, bewirtschaften verwaiste Blumentröge, machen ehedem versiffte Hinterhöfe zu grünen, blühenden Stadtoasen.

Friedlich-subversive Stadtbewegung

Was in den USA bereits seit Jahrzehnten wächst und zu einer friedlich-subversiven Stadtbewegung wurde, schlägt langsam aber sicher auch in Europa Wurzeln: Untereinander verbündete Garten-Guerilleros verwandeln Brachland zu Gärten.

Richard Reynolds, der über die erstarkende Bewegung eben ein Buch herausgebracht hat, liefert die Definition: "Guerilla Gardening ist die unerlaubte Kultivierung von Land, das jemand anderem gehört." Zusatz: Land, das nicht genutzt wird.

Der Londoner Reynolds hat seine Outlaw-Pflanzungen vor fünf Jahren begonnen. Zitat: "Ich fing damit an, die Beete der Hochhaussiedlung, in die ich gerade gezogen war, wieder herzurichten. Erst nach und nach arbeitete ich mich bis in andere Viertel Londons vor, oft Stätten alter Glorie, für die sich keiner mehr zuständig zu fühlen scheint."

Pastinaken, Karotten und Bohnen

Tatsächlich ist die Geschichte des Guerilla Gardenings nicht neu. Als einen der ersten Akte dieses zivilen Ungehorsams kann man die Aktion eines verarmten britischen Textilfabrikanten ansehen, der im Jahr 1649 die Bewegung der "Diggers" gründete. Diese "Buddler" besetzten brachliegendes königliches Land und bauten Pastinaken, Karotten und Bohnen an, um das eigene Überleben zu sichern.

Der heute moderne Begriff Guerilla Gardening stammt aus dem New York der frühen 70er-Jahre. Die junge Künstlerin Liz Christie hatte beobachtet, wie auf einer Misthalde Paradeiser aus dem Müll sprossen, was sie auf die Idee brachte, ein 1700 Quadratmeter großes, von Gerümpel, Schutt und Autowracks übersätes Areal Ecke Houston und Bowery, ohne lang um Erlaubnis zu fragen, in einen prachtvollen Stadtgarten zu verwandeln. Den gibt es heute noch. Als geschützten, offiziellen, privat betreuten Gemeinschaftsgarten. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/14/11/2009)