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"Die tun so, als wäre das ihre Straße", schimpfte die Frau in dem Filzmantel.

Foto: AP/Miguel Villagran

Drei Buben mit glänzenden, hochgekämmten Haaren, vielleicht fünfzehn Jahre, die Arme gegenseitig um die Schultern gehängt, kickten eine Cola-Dose den Gehsteig hinauf. "Die tun so, als wäre das ihre Straße", schimpfte die Frau in dem Filzmantel. "Können die nicht zu Hause bleiben? Wir haben ja keinen Platz mehr hier." Leslie drehte sich der Frau zu: "Sagen Sie, würden Sie auch gern so entspannt sein wie die? Und gern eine Cola-Dose an diese Stange kicken? Oder ihre Freunde umarmen? Hätten Sie nicht auch gern so eine Frisur, aber trauen sich nicht? Sind Sie vielleicht neidig auf die, weil die die Straße erobern, während Sie zu Hause hocken? Würden Sie vielleicht manchmal gern so sein wie diese Türkenbuben?"

Die Dame fuchtelte mit ihrem Regenschirm verärgert vor Leslies Gesicht herum. "Wir sind hier nicht in Istanbul, merken Sie sich das!" Leslie seufzte: "Ja, leider. Sonst würden wir heute Nacht nämlich sicher eine Party in einer der Bars auf den Dächern der Stadt feiern, wir würden uns mit tausenden anderen Menschen durch die Straßen schieben, ein paar Spielzeughubschrauber in die Luft werfen, die leuchtend zu uns heruntersegeln würden, wir würden in die Musik der Nacht eintauchen und uns alle bei einem Raki verbrüdern. Am nächsten Tag würde die Sonne Sie sicher ein wenig streicheln, und Sie wären wahrscheinlich glücklicher als jetzt. Und als hier."

Die Frau schnaufte, schaute in den Wiener Novemberhimmel und trottete beleidigt davon. Leslie kaufte Baklava. Sie aß mit ihren Freundinnen so lange Bak-lava, bis das Leben supersüß wurde. (Adelheid Wölfl/Der Standard/rondo/30/10/2009)