Philippe Starck

Foto: Hersteller

Ab November im Handel erhältlich: die Küchenlinie "Starck by Warendorf", Modell "Library".

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Kochschmuckkästchen "Primary"

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In Wien feiern nun seine Küchen Weltpremiere.

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Ja, ja, das Feuer als Mittelpunkt des trauten Heims. Auch Philippe Starck zeichnet in Küchenfragen das Bild von der Sippe, die sich am Ende des Tages ums Feuer schart, während das Mammutgulasch vor sich hin köchelt. Ein bisschen mehr Komfort darf's nach ein paar Eiszeiten aber schon sein. Ferner meint Starck: "Zuhause ist Liebe, Liebe ist Feuer."

Klar zieht Liebe. Klar zieht Starck. Klar zieht auch eine Weltpremiere, denn diesbezüglich ist Wien ja nicht gerade verwöhnt. Aber was hat des Stargestalters Küchenkonzept, das von 15. bis 18. Oktober auf der Messe Wohndesign präsentiert wird, an Eingemachtem zu bieten? Was Starcks Küchen von vielen gängigen Kochstätten unterscheidet, ist die Loslösung von maßgeplanten Einbaulösungen. Im Prinzip sind seine Küchen keine Räume, sondern große Möbelstücke, die aussehen, als könne man sie einkaufen, einpacken und zu Hause aufstellen. Das Küchenkonzept "Starck by Warendorf" (der Markenname "Warendorf" wird per 1. 9. 2010 die Marke "Miele die Küche" ablösen) wird in insgesamt vier Designs und diversen Farben angeboten. Starck - auch er selbsternannter Kämpfer für " demokratisches Design" - möchte Lösungen für unterschiedliche Menschen, Lifestyles und Raumgrößen anbieten. An Materialien entschied man sich für gelbverspiegeltes Glas, Edelstahl, diverse Materialkombinationen oder Macoré, einer Holzart. Marmor gibt's auch.

Fettflecken auf Buchrücken

Der erste Streich aus dem Küchenquartett ist die kühl angehauchte Linie "Duality", eine frei stehende, aber überdachte Kücheninsel. Man könnte sie einen schicken Edelstahlquader nennen, diese monumentale, aber durchaus unterbringbare Kochinsel im Containerlook, die beidseitig bekochbar ist. Modell "Library" erinnert, wie der Name erahnen lässt, an eine Bücherwand. In ihrem Fall steht tatsächlich ein hölzerner Möbelkorpus vor einem Bücherregal samt Bibliotheksleiter. "Library" soll keine Arche Noah für die Sintflut aus Kochbüchern sein, dem Gestalter schwebte der Gedanke vor, dem häuslichen Charakter der Küche ein wenig Kultur einzuhauchen. Dieses Unterfangen dürfte allerdings von der Kulturlosigkeit namens Fettfleck begleitet werden. Wie in der "Duality" findet sich auch in dieser Teufelsküche für Liebhaber von Erstausgaben Esstisch und Arbeitstisch mit integrierter Spüle und Anbindung an die Kochfläche auf einem Paar massiger, verchromter Trompetenfüße, das wohl am auffälligsten hinausposaunte Stilelement des Projekts.

Wer sein Heim eher als Schmuckkästchen sehen möchte, dürfte zur Linie "Primary" greifen. Wie eine gelb verspiegelte Schmuckschatulle steht sie da, diese kleine Kochbox, die von zwei lieblichen Lampenschirmen flankiert wird. Von Berührungsängsten mit unterschiedlichsten Stilrichtungen war Starck schließlich noch nie geplagt. Neobarock nennt man bei Warenhof den "Primary"-Look. Wären da noch die "Towers", die Starck als "Würze" seiner Design-Ensembles bezeichnet. Dabei handelt es sich um zwei drehbare Möbeltürme (2,3 Meter hoch) aus Macoré mit Edelstahl. Der eine beherbergt die "heißen", der andere die "kalten" Geräte. Damit die Türme nicht ganz so reduziert daherkommen, wurden sie mit dezenten Metallornamenten versehen, wie man sie auf dem Brustpanzer eines römischen Zenturios finden könnte.

Hans-Dampf-in-allen-Designgassen

Wie bei allen Entwürfen Starcks werden auch diese Küchen ihre Fans und ihre Miesmacher finden, schließlich schwanken die Befindlichkeiten in Sachen Starck weltweit wie ein Kahn in schwerer See. Für die einen ist er ein überschätzter Hans-Dampf-in-allen-Designgassen, über dessen unüberschaubares Werk diese wie die Rohrspatzen schimpfen. Für die anderen ist Starck ein Faszinosum, das den Designbegriff wandelte wie nichts vor und nichts nach ihm. Starck ist Popstar, Clown, Design-Industrieller, stylt unzählige Hotels und Restaurants, macht ganz groß in Immobilien und gibt halt auch Hockern das Aussehen von Gartenzwergen. Ihn in eine Schublade zu stecken hieße, Starck nicht zu kapieren. Starck ist ein System, das weit über den Rand eines Nudeltellers von Alessi hinausreicht, Starck bedeutet erfolgreiche Unfassbarkeit.

In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung meinte er, "ich habe so viele Dinge gemacht, ich weiß nicht, ob Design der richtige Begriff dafür ist. Ich sehe mich eher als normalen Bürger, der über Dinge wie Evolution, Politik oder den Alltag nachdenkt. Der Zufall wollte es, dass mein Ausdrucksmittel das Design ist ..." Wer Ausschau nach einer sogenannten Designerküche hält, ist mit Starcks Objekten übrigens nicht unbedingt gut beraten. Dazu müsste er erst herausfinden, ob Starck folgenden Sager ernst meinte: "Design ist banal und unwichtig." (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/09/10/2009)