Pileus bezeichnet in der Meteorologie eine Wolkenformation von geringer horizontaler Erstreckung ...

Das Ding der drei Gestalter geht in die Luft, ist eine Art Zwitterwesen zwischen Zeppelin und Kutsche.

Foto: Hersteller

Beamen oder vielleicht doch auf düsenbetriebenen Schwebeboards in Silver-Surfer-Overalls zur Arbeit düsen? All-inklusive-Urlaube auf Mars oder Venus? Was hatte man in den 80er-Jahren nicht für heitere Fantasien, was in Sachen Mobilität, Mode oder Design jenseits des Millennium alles auf uns zukommen würde.

Doch es kam ganz schön langweilig. Seien wir ehrlich, abgesehen von ein paar Ausnahmen sind automobilhandelstechnisch mit oktansüchtigen SUVs, panzerähnlichen, geländetauglichen Schwergewichten, die höchstens beim Ausflug zum Nobelheurigen ein Grasbüschel streifen, noch immer mehr Meter zu machen als mit alternativ angetriebenen Vehikeln. Und die seinerzeit herbeifantasierten Luftkutschen, die mit Gänseblümchen betankt werden, wurden so wahr wie Handelsverträge mit Marsmännchen.

Tschitti-Tschitti-Bäng-Bäng-Gläubige

Zum Glück gibt's die Designer von der FH Joanneum, Fraktion Industrial Design, diese Tschitti-Tschitti-Bäng-Bäng-Gläubigen Ritter im Dienste des künftigen Alltags. Die wissen zwar auch nicht genau, wie wir in Zukunft von A nach B kommen, haben aber im Rahmen eines Projektes mit Magna Steyr Graz insgesamt sechs Stücke automobile Zukunftsmusik geträllert. Betreut wurde das Projekt "Lightweight and Emotion" vom designtechnisch hochdekorierten Studiengangsleiter Gerhard Heufler und dem Designer Alexander Kada. Einen zeitlichen Horizont für die Konzepte setzte man mit dem Jahre 2030. Wie prophetisch die Fähigkeiten der Gestalter sind, werden wir sehen, aber halt erst in 21 Jahren. Inzwischen lassen sie uns aber einen Blick in ihre sehr unterschiedlichen Kristallkugeln werfen.

Da wäre zum Beispiel der sogenannte "Audi Quattrocopter" von Christoph Aschaber und Lukas Jungmann - genau das richtige für jene, die alle Teile von Star Wars im Regal stehen haben und glauben, Fortbewegung mit Bodenhaftung sei Schnee von gestern, der längst geschmolzen ist. Mit dem wanzenförmigen Hightech-Gleiter sollen stressgeplagte Manager künftig selbst am Pilotensessel Platz nehmen und das Ding mittels vier Rotoren schnurstracks von einem Termin zum anderen schwirren lassen. Würde auch James Bond taugen, lehnt sich das Flugobjekt mit ein bisschen Fantasie durchaus dem tauchfähigen Lotus aus Der Spion, der mich liebte an.

Taxi und Zeppelin

Zurück auf den Boden, wenn auch nicht auf jenen der Tatsachen, kommen die Entwerfer Stefanie Hödlmoser, Joris Zebinger und Ulf Kühnapfel mit Ihrem "Renault Taxi Konzept", einem schnittigen Straßenfeger in Gelb. Dass 75 Prozent der Weltbevölkerung in Städten ansässig sind, der Lebensraum immer enger wird und ein eigenes Auto dieses Problem nicht gerade verkleinert, war ihnen Antrieb, ein elektrobetriebenes Taxi für zwei Fahrgäste zu entwerfen.

Weitaus poetischer und abgehobener ist die Luftikus-Studie "Citroën Pileus" von Markus Kargl, Max Kulich und Juho Huotari. Pileus bezeichnet in der Meteorologie eine Wolkenformation von geringer horizontaler Erstreckung in Form einer Haube über einem Wolkengipfel. Man ahnt es schon, das Ding der drei Gestalter geht in die Luft, ist eine Art Zwitterwesen zwischen Zeppelin und futuristischer Kutsche. Die elastische Ballonhülle ist im Dach des Wagens untergebracht und wird zwecks Flugbetrieb mit Helium gefüllt, das nach der Landung wieder in Druckflaschen gepumpt wird. Die Radfelgen werden im Flugmodus wie Omelettes waagrecht geklappt und dienen als Propeller. Man könnte auch sagen: Die Ente der Zukunft kann fliegen.

An Fashion-Victims und Fußfetischisten richten sich die Entwürfe "The North Face" und "Adidas". Bei letzterem Projekt, entworfen von Jakob Lechner, Julius Sartor und Arthur Eisenkrein, ähnelt, wie der Name es verraten könnte, einem Sportschuh. Der hat formal betrachtet durchaus das Zeug, als Sportflitzer durchzugehen, und lässt sich dank seiner schnittigen Maße auch ohne Schuhlöffel einparken. Der Entwurf fußt auf einer Analyse der Bedürfnisse einer Style-orientierten Gesellschaft, die sich von herkömmlichen, bislang mit Fahrzeugen assoziierten Marken abwendet. Dies soll unter anderem Marken wie Adidas Chancen geben, mit Entwicklungspartnern wie Magna in Nischen vorzudringen, die bisher von anderen Namen verparkt sind. So gesehen könnte dieser Gedanke natürlich auch hosenröhrlähnliche Levi's-Autos oder Handtaschen nachempfundene Familienkutschen von Gucci hervorbringen. Die Frage, ob das auch umgekehrt funktioniert, bleibt einstweilen offen, aber ein Mercedesstern auf einem Laufschuh fände vielleicht auch seine Kundschaft.

Unternehmensgeschichte

Warum die Entwürfe überhaupt mit Markennamen in Verbindung gebracht werden, erklärt der Designer und FH-Gastprofessor, Alexander Kada: "Die Auflage bei dem Projekt, sich mit dem Formenkosmos eines Unternehmens auseinanderzusetzen, war erst auf halbem Projektwege gegeben. Anfangs sollten sich die Studierenden möglichst frei an das Thema Mobilität nähern, um sich in einem zweiten Schritt der formbezogenen Geschichte eines Unternehmens zu widmen. Wir verstehen das als eine Art Vorbereitung auf das Berufsleben. Wenn man bei einem Unternehmen wie Audi anfängt, ist es einfach gut, wenn man mit den entwerferischen Genen eines solchen Betriebs schon einmal auf Tuchfühlung war."

Ebenfalls keine Berührungsängste haben laut Kada umtriebige Scouts aus allen möglichen Bereichen der Industrie, die regelmäßig an der FH vorbeischauen, um ihre Fühler auszustrecken, vorausgesetzt, sie finden einen Parkplatz. Wie lange die Menschheit auf den Umstieg in eine fliegende Kiste oder ein schnittiges Schuhvehikel warten muss, dürfte auch davon abhängen, wie sehr sich die Bosse der Scouts den Satz des amerikanischen Topmanagers und ehemaligen Chrysler Vorstandsvorsitzenden Lee Iacocca verinnerlicht haben: "Genauso wenig, wie es sich die Autoindustrie leisten kann, zu weit hinter dem Verbraucher herzuhinken, kann sie es sich leisten, ihm zu weit voraus zu sein. Mit einem neuen Produkt zu früh herauszukommen ist genauso schlecht, wie zu spät." Bleibt immer die Frage, wo der Verbraucher gerade steht. Nicht selten lehnt er an seinem Auto an der Tankstelle, während dieses mit V-Power-Benzin vollläuft. Dennoch, die Wahrscheinlichkeit, dass sich in den nächsten zwanzig Jahren in Sachen alternative Energien und somit auch Design mehr tun wird als in der Zeit, da Magnum im Ferrari über Hawaii brauste, ist doch groß. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/28/08/2009)