Der als Retter der Schweizer Uhrenindustrie geltende Nicolas G. Hayek sammelt Titel wie "Trouble- shooter of the Year", Awards und Ehrenzeichen wie andere Leute Armbanduhren.

Foto: Balazs Gardi, Joerg Mitter und Sebastian Marko for Global-Newsroom.com

Warten auf Hayek. Das tut man gern. Erstens ist ein Interview mit ihm so alltäglich wie eine Schneeballschlacht auf der Piazza San Marco, und zweitens sind die sonnigen Stufen des Teatro La Fenice in Venedig nicht der übelste Warteraum. Erst war der Termin fix, dann weniger fix, schließlich futsch. Ob es ein dringender Anruf José Manuel Barrosos war oder ein ebenso keinen Aufschub duldendes Hüngerchen - so wie die Sonne war schließlich auch der Swatch-Gründer von dannen. Dass Zeit eben auch für ihn viel mehr sein dürfte als das, was man an der Uhr abliest, könnte man aus den Antworten schließen, die Nicolas G. Hayek schließlich per E-Mail zustellte.

DER STANDARD: Sie sind als Berater vieler europäischer Regierungen tätig. Wie oft klingelt Ihr Telefon in der letzten Zeit?

Nicolas G. Hayek: Mein Telefon läutet ständig, ununterbrochen!

DER STANDARD: Vielen Menschen macht diese Krise so große Sorgen, weil sie so schwer ein-, ihr Ende so schwer abschätzbar ist. Was würden Sie ihnen sagen?

Hayek: Die Comtesse de Ségur sagte: "Après la pluie le beau temps" (Nach dem Regen scheint die Sonne) - das sage ich auch.

DER STANDARD: Sie meinten einmal: In Momenten, in denen Sie an der Welt zweifeln, schließen Sie sich ein, hören Mozart und nehmen eine Breguet-Uhr mit Tourbillon zur Hand und betrachten sie. Wie oft geschieht denn das?

Hayek: Etwa fünf- bis zehnmal pro Quartal.

DER STANDARD: Von Ihnen war zu lesen, Sie hätten in Ihrem ganzen Leben noch nicht einen Tag gearbeitet. Sie hätten sich immer amüsiert. Das, was andere als Arbeit bezeichnen, sei für Sie Amüsement. Was amüsiert Sie?

Hayek: Menschen zu motivieren, Neues zu kreieren und zu produzieren, Visionen zu entwickeln.

DER STANDARD: Apropos "Neues kreieren": Welche Idee könnte die Uhrenwelt noch einmal derart überraschen wie die Swatch?

Hayek: Ihre Zeitung wird von allen gelesen, und ich soll Ihnen so etwas verraten?

DER STANDARD: Was war das höchste Gebot, das je eine Swatch bei einer Auktion einbrachte?

Hayek: Jemand bot mir für diese Uhr hier an meinem Handgelenk 250.000 Dollar, wenn ich sie ihm signiere. Es ist dies die erste Swatch, die vom Laufband kam.

DER STANDARD: Sie haben sie ihm also nicht verkauft?

Hayek: Nein, die wird einmal mein Sohn bekommen. (Anmerkung der Redaktion: G. Nicolas "Nick" Hayek trägt seit seiner Ernennung zum Präsidenten der Geschäftsleitung im Januar 2003 die Gesamtverantwortung für die Geschäfte der Swatch Group.)

DER STANDARD: Was gibt es Neues von der Belenos Cleaning Power AG, die daran arbeitet, ein neues Antriebssystem für Elektroautos zu entwickeln?

Hayek: Sobald etwas definitiv produktionsreif ist, werden wir es mitteilen.

DER STANDARD: Auch George Clooney ist in die Gesellschaft involviert. Was ist sein Job?

Hayek: Der aller Verwaltungsräte, nämlich dafür zu sorgen, dass die Firma sich rasch positiv entwickelt.

DER STANDARD: Sie studierten Physik, Chemie und Mathematik. Greifen Sie in Ihrer Arbeit in irgendeiner Weise auf diese Wissenschaften zurück?

Hayek: Ja, natürlich. Ich habe im Übrigen schon mehrmals öffentlich erwähnt, dass der Physiker für innovative Projekte mein privilegierter Partner ist, weil er die Fähigkeit hat, noch immer an Wunder und den Weihnachtsmann zu glauben oder sie zumindest nicht einfach kompromisslos auszuschließen, und das, obwohl seine technische Ausbildung so etwas nicht unbedingt fördert.

DER STANDARD: Der Designer Luigi Colani meinte vor kurzem im RONDO, die europäischen Strukturen seien verkrustet und alles ziele nur auf Gewinn-Absahne ab. Was würden Sie ihm dazu sagen?

Hayek: So pauschal würde ich mich nicht ausdrücken. Der Fortschritt bei der ursprünglich positiven Gestaltung der Europa-Strukturen kam plötzlich zum Stillstand. Es wurde zu einer schwerfälligen, bürokratischen und mehr oder weniger chaotischen Mischung von ideologischen, sozialen, wirtschaftlichen und zum Teil finanziellen Konzepten, während alles andere dem Zufall, Gott und künftigen Generationen überlassen wurde. Dies schließt jedoch die Möglichkeit, dass die EU - wie die meisten außergewöhnlichen menschlichen Konstruktionen - im 22. oder 23. Jahrhundert zu einem fantastischen Erfolg wird, nicht aus. Ich hoffe aber, dass dies viel früher, noch in diesem Jahrhundert geschehen wird.

DER STANDARD: Welche Frage wird Ihnen in Interviews am häufigsten gestellt?

Hayek: Genau diese ...
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/24/07/2009)