Der Heilige im Brunnen dürfte Schotte sein, ...

Foto: Gerhard Wasserbauer

... das - unpasteurisierte! - Bier im neuen Wirtshaus aber ist so wunderbar tschechisch, dass man vor Freude jauchzen muss.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Zeiten, als selbst das Queren des ersten Hofs des Wiener Schottenstiftes unweigerlich in einer Friteusen-Fahne für Haare wie Kleidung resultierte, sind noch gar nicht so lange her: Über Jahrzehnte war hier eine Wienerwald-Filiale untergebracht, die ihre triste Bestimmung als Stätte der letzten Ölung für unglückliches Geflügel weithin riechbar machte. Irgendwann vor ein paar Jahren war damit Schluss, die Fenster erblindeten, im legendären Kastaniengarten zogen die Ratten ein. Es schien, als müsse der Ort erst einmal verdauen, was ihm da über allzu lange Zeit zugefügt worden war.

Plötzlich aber ist alles anders. In einem bemerkenswerten Kraftakt renovierte der neue Pächter, Michael Zattl, das weitläufige Lokal samt Keller und Garten binnen weniger Wochen. Vorn, bei der Freyung, wurde eine räumlich getrennte Espressobar installiert, so richtig super aber ist es im Biergarten. Das liegt zwar auch am frischen Kies, an der unprätentiösen, klassischen Gartenmöblage aus hellem Holz und grün lackiertem Gusseisen, an der grundsoliden (wenn auch biergartentypisch salzlastigen) Wirtshausküche und der ganz beispielhaft gut motivierten Servicemannschaft. Vor allem aber liegt es am Pilsner Urquell, das bekanntlich so und so eines der zischfreudigsten, trinklustigsten und überhaupt allerköstlichsten Biere unter der Sonne ist - hier aber in einer wahrhaft einzigartigen Qualität gezapft wird, die Zug um Zug glücklich macht. So. Das klingt jetzt verdächtig nach Schweizerhaus-Konkurrenz. Ist es auch.

Eigendruck des Biers

Zattl hat sich nämlich vier gekühlte 500-Liter-Tanks in einen der zahllosen Klosterkeller legen lassen, in die der köstliche Saft aus der Stadt des Bieres direkt und, ganz entscheidend, unpasteurisiert aus dem ebenfalls gekühlten Tankwagen gefüllt wird. Gezapft wird ausschließlich mit dem Eigendruck des Biers, ohne CO2 oder sonstige, allzu prickelnde Zapfhilfen, die den satten Wohlgeschmack des Biers erdrücken würden. Das ist außerhalb Tschechiens bislang einzigartig, in Österreich überhaupt nur mit dem vergleichbar, was in der urtümlichen Salzburger Mülln-Brauerei aus den Holzfassln rinnt: pures, unverfälschtes Gold gegen den Durst, eine heutzutage ganz selten gewordene Freude. Angesichts dessen scheint es müßig, sich über die Stilblüten auf der Speisekarte ("Gebackenes Wiener Schnitzel, Fangfrischer Zander, ...") zu echauffieren - noch dazu, weil das Essen sehr in Ordnung ist. (Severin Corti/Der Standard/rondo/12/09/2009)