Wie ein Mondrian ohne Farbe: In Sachen Styling hat es das Hotel Miramonte vor allem in sich.

Foto: Miramonte/Klaus Vyhnalek

Warum manche Dinge als Geheimtipp gehandelt werden, obwohl sie längst durch den Lifestyle-Blätterwald raschelten, ist eine gute Frage. Es dürfte wohl mit einem Wunschdenken der vermeintlichen Geheimnisträger zusammenhängen. Das Hotel Haus Hirt in Bad Gastein ist dafür ein gutes Beispiel. Noch immer tun seine Gäste so, als sei die Bleibe ein Insider-Tipp. Die Autokennzeichen auf dem Parkplatz beweisen das Gegenteil, selbst auf Facebook kann man sich der Hirtengruppe anschließen. Architekt Ike Ikrath und seine Hoteliersgattin Evelyn haben das Haus, in dem einst Thomas Mann über das Gasteiner Kurpublikum maulte, in gut zehn Jahren zum Alpen-Hideaway-Schmuckkastl herausgeputzt, das quietschlebendig dem staubigen K.-u.-k.-Muff des Ortes trotzt.

Vor kurzem hat der Hirte eine Schwester bekommen, die einen Spaziergang vom Haus Hirt Richtung Rauschebach und Ortskern entfernt liegt und der schon jetzt ein ähnliches Geheimtippschicksal dräut: Die Stille Post um das Hotel Miramonte, der Ikraths zweiter Streich, ist schon jetzt lauter geworden: Der Kristallkugelschauer und Trendpriester Matthias Horx etwa spricht von den beiden Häusern als geistige Enklaven, in denen man Menschen findet, deren Ideen man teilen möchte.

Von außen betrachtet wirkt das Miramonte mit seinen 36 Zimmern auf fünf Geschoßen und einem Spa wie ein Schuhkarton. Man könnte auch sagen, die Außengestaltung erinnert an einen Mondrian, dem die Farbe ausging. Fertiggestellt wurde die einstige "Königvilla" im Jahre 1910 unter dem Baumeister Angelo Comini, der halb Gastein seinen Baustempel aufdrückte. In den 1960er-Jahren wurde ordentlich umgebaut, vor der Übernahme durch die Ikraths beherbergte die Österreichische Nationalbank dort erholungsbedürftige Mitarbeiter. Was dem Haus am Fuße des Graukogels außen an Schmuck abgeht, macht der Bauch des Hotels mehr als wett.

Dass die Ikraths die schönen Dinge des Lebens zu schätzen wissen, lässt sich hier von der Blumenvase über die geölten Holzböden bis zu den Leuchten der Designerin Megumi Ito beäugen. Betritt der Gast den Rezeptionsbereich mit seinen Bodenmosaiken, wähnt er sich in einem entstaubten Heimatfilm. Die angeschlossene Bar würde einem alpinen Drehort für den James Bond aus Goldfinger-Zeiten einwandfrei gerecht, und das Restaurant mit Bertoia-Sesseln und Saarinen-Tischen scheint einer Coffeetable-Schwarte entschlüpft.

Das Haus "Designhotel" zu nennen, wäre allerdings schlicht gemein. Das Miramonte ist kein nach Retorten-Plan durchgestylter Lifestyle-Tempel im Retrochic. Eine Entdeckungsreise beginnt hier bei Messingringen in der alten Holzverkleidung der Heizkörper, führt über kupferne, eiszapfenförmige Ornamente in der Bar zum nicht gerade kleinen Wandbild von Rudolf Hermann Eisenmenger aus dem Jahre 1953. Hinter all dem steckt ein Konzept, das zeigt, wie gut sich das Alte mit dem Neuen verstehen kann und wie weit die nächste Hotelkette entfernt ist.

Kreuzfahrt am Wasserfall

Auf der großzügigen Hotelterrasse - der wilde Wasserfall tönt bis hierher - erzählt Ike Ikrath mit unglaublich vielen Worten und aufgekrempelten Ärmeln vom Projekt Miramonte. Ein paar Meter weiter, mitten in der steilen Bergwiese arbeitet er gerade an einer Art würfelförmigen Laube für Freiluft-Massagen. "Das Haus Hirt verstehen wir als Landhaus, das Miramonte ist eine Art Kreuzfahrtschiff. Es läuft verschiedene Stationen gestalterischen Ausdrucks an, aber seine Architektur lässt sich in 20 Minuten kapieren. Wir wollen hier in einem fortlaufenden Prozess Altes weiterspielen, Details zeigen, die immer cool waren, denn jede Zeit hat ihre Qualität", so Ikrath, der es sich zum Ziel gesetzt hat, diese Qualitäten zu verschränken. Auf die Frage, an wen sich diese Formensprache, der Spirit des Hauses richten soll, sagt er: "Menschen, die ein urbanes Moment im Alpenraum suchen, dürften bei uns fündig werden."

Das Haus auf einen Punkt zu bringen ist allerdings kein leichtes Unterfangen. Man könnte sagen, die Ikraths und ihr emsiges Team klappten den Deckel einer großen Schachtel auf und schütteten rein: einen Schuss Heimatfilm-Ästhetik, zwei Finger Designklassiker, eine Prise Bobo-Flair, ein bisschen Zauberbergatmosphäre, einen Spritzer Hochglanzmagazin plus eine Scheibe Alpinnostalgie. Dazu kommt noch eine große Portion Chill-out-Masse, lässig gebettet auf Kuhfell. Wen das nicht interessiert, der hat beim Gin Tonic auf der Terrasse noch immer einen Ausblick auf eines der bestgestylten Kapitel Alpen-Tektonik. (Michael Hausenblas/DER STANDARD/Printausgabe/30./31.5.2009)