Im Speisezimmer über den Wolken muss es recht angenehm gewesen sein. Leinengedeckte Tische, Kristallgläser, die in der Küche nebenan frischgekochte Schildkrötensuppe. Für junge Paare, die sich nach dem Essen in die Honeymoon-Suite mit Doppelbett und Schminkraum zurückziehen konnten, muss der 17-Stunden-Flug von Foynes über den Atlantik in dem Flugboot erst recht ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein.
Foynes? Flugboot? Wer mehr über diese Episode der Luftfahrtgeschichte erfahren will, sollte nach Irland reisen, genauer an die Mündung des Shannon. Dort liegt das kleine Dorf Foynes, das von 1939 bis 1945 eines der Zentren der Weltluftfahrt gewesen ist - und der Ort, an dem der Irish Coffee erfunden worden ist. Ereignisse, an die das "Flying Boat Museum" erinnert. Die großen und luxuriös ausgestatteten Wasserflugzeuge waren die ersten wirklich kommerziell genutzten Transatlantik-Verbindungen. Von New York über Neufundland wurde an die Westküste des neutralen Irlands geflogen. Täglich landete mindestens eine Maschine auf dem Fluss, von wo die Menschen mit Booten in das Flughafengebäude gebracht wurden.
In dem befindet sich heute das Museum, komplett mit einem 1:1-Nachbau des berühmtesten Flugbootes, der Boeing 314. Die rührige Kuratorin Margaret O'Shaughnessy führt mit sichtbarem Enthusiasmus durch die Schau und erklärt schließlich auch die Geschichte des Irish Coffee.
"Im Winter 1943 musste ein Flugzeug wegen Schlechtwetters umkehren. Als die durchfrorenen Passagiere zurück in den Terminal trudelten, hatte der Koch des Restaurants die Idee, ihnen etwas Warmes und Starkes zu geben." Joe Sheridan mischte daher Kaffee, Irish Whiskey, Zucker und Schlagobers. "Einer der Gäste soll ihn gefragt haben, ob der Kaffee aus Brasilien stamme (,Is this Brazilian coffee?') - worauf Sheridan antwortete: ,No, this is Irish coffee.'"
Der Geschichtsinteressierte findet aber hier, im grünen Südwesten Irlands, weit mehr als Reminiszenzen an des Goldene Zeitalter der Luftfahrt. Rund 52.000 Österreicher besuchten im Vorjahr die Republik, um Menschen, Landschaft und Kultur zu erleben. Nach Touren mit dem Mietwagen oder dem Hausboot kehrten sie aber wieder in ihr Heimatland zurück - was auf dieser Insel für so manchen Besucher unüblich war.
Beispielsweise vor rund 800 Jahren. König Johann Ohneland, der ziemlich erfolglose Bruder von Richard I. Löwenherz, war ein derartig hartnäckiger Gast. Er gab den Bau der nach normannischem Standard errichteten Burg "King John's Castle" in Limerick in Auftrag. Unter seiner Herrschaft als "Lord of Ireland" wurde die normannische Eroberung der Region abgeschlossen. Heute bietet die Verteidigungsbastion ein Besucherzentrum, in dem die Burg und Stadtgeschichte bis weit in die Neuzeit präsentiert wird.
Die in Irland ja unruhig war, gaben doch die englischen Okkupanten lange sehr wenig auf die Wünsche ihrer Untertanen. Wer sich wie ein Großgrundbesitzer des viktorianischen Zeitalters fühlen möchte, hat in der Touristenhochburg Killarney die Chance dazu. Im Jahr 1877 wurde "Cahernane House" gebaut, und wer heute über die Stufen in den Empfangsbereich des mittlerweile zum Hotel mutierten Herrenhauses tritt, kann tatsächlich an Löcher im Raum-Zeit-Kontinuum glauben. Standuhr, flackernder Kamin samt darüber prangendem Hirschkopf und hohe Lehnstühle - man rechnet eigentlich fest damit, dass ein Lord durch die Tür kommt.
Da man sich aber im republikanischen Teil Irlands befindet, sind es lediglich die Mitglieder der Hoteliersfamilie, die bereitwillig über die Vergangenheit des Hauses plaudern und die landschaftlichen Vorzüge der Region preisen, ehe sie in die Zimmer geleiten. Wenn einem eine Braut über den Weg läuft, darf man sich in diesem Haus nicht wundern - wird es doch von den Einheimischen liebend gern für Hochzeitsempfänge genutzt. Nur eines können Frischvermählte nicht mehr - mit einem Flugboot über den Atlantik verschwinden. (Michael Möseneder/DER STANDARD/Rondo/15.5.2009)
Auch am Shannon, weiter flussaufwärts, liegt Limerick mit dem King John's Castle. Foto: Adam Woolfitt / Corbis
Im Winter 1943 musste ein Flugzeug wegen Schlechtwetters umkehren. Als die Passagiere zurück in den Terminal trudelten, hatte der Koch die Idee, ihnen etwas Warmes zu servieren.