Underground und Establishment müssen keine Gegensätze sein.

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Das ist das Credo von Schönbergers Mode bei Joop!.

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Sie fällt durch ihre Zurückhaltung auf - und durch ihre besonderen Details.

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Still und leise hat Dirk Schönberger dem ehemaligen Label von Wolfgang Joop ein glitzerndes Profil gegeben.

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"Zu unbekannt", "zu verkopft", "zu blass" waren einige der Vorwürfe, die Dirk Schönberger entgegenbliesen, als er 2007 den Job des Kreativdirektors bei Joop! und damit das Erbe Wolfgang Joops antrat. Und tatsächlich: Im Verhältnis zum dauergebräunten, gestrafften Mode-Dinosaurier, der sich noch heute gern durch zotige Lästereien und Maßlosigkeit hervortut, erscheint der grauhaarige Stratege ohne offensichtliche Attitüden fast schon scheu.

Die Aufgabe, die Hamburger Marke neu zu definieren und ihr ein zeitgemäßes Profil zu verpassen, war keine leichte. Kommerziell zwar nie so recht unerfolgreich, dümpelte der Name spätestens nach Weggang des Firmengründers 2001 in 08/15-Kaufhäusern vor sich hin, von Begehrlichkeit keine Spur, stattdessen fast schon klischeehaft altdeutsche Langeweile. Schönberger nahm die Herausforderung an. Er legte sein eigenes Label, das er zehn Jahre lang in Paris gezeigt hatte, auf Eis und zog nach Berlin.

Underground und Establishment

Die Hauptstadt war und ist für den gebürtigen Kölner, der an der Esmod in München studierte und viele Jahre in Antwerpen lebte, der einzige Standort, wenn es darum geht, in Deutschland Mode und Zeitgeist zu spüren und zu prägen. "Es ist einfach toll, das Wechselspiel zwischen Underground und Establishment zu sehen und zu beobachten, wie das eine zum anderen wird und Neues nachwächst", erzählt der heute 42-Jährige begeistert.

Seine Heimat genießen kann er derweil kaum, denn keiner der zwölf Lizenznehmer, die für die Produkte des Hauses Joop! zuständig sind, sitzt an der Spree. Und so pendelt Schönberger ständig zwischen Strellson in der Schweiz (Konfektion), Goldpfeil in Offenbach (Taschen), Coty Lancaster Paris (Kosmetik) und dem Hamburger Stammhaus. "Die Tatsache, dass ich nicht mehr ständig unmittelbar am Produkt arbeiten kann, frustriert mich schon, aber ich kann nun mal leider nicht überall sein", bedauert Schönberger am Morgen nach seiner Show im Restaurant des edlen "Hotel de Rome" in Berlin Mitte. Obgleich er sich auf seiner Aftershow-Party das eine oder andere Gläschen gönnte, erscheint er auf die Minute pünktlich zum Interviewtermin. Das positive Feedback dürfte das Aufstehen erleichtert haben, statt Champagner gibt es trotzdem Wasser.

Intelligente, deutsche Designermarke

Disziplin und Fleiß sind zwei der Elemente zur Erfüllung des Masterplans, den Schönberger für sein Leben irgendwo in der Schublade zu haben scheint. Nicht umsonst ist sein Name neben dem von Raf Simons einer der wenigen, die vom Hype um die "jungen Etablierten" der späten 1990er-Jahre nachklingen. Vorerst hat er das Ego dieser Tage hintangestellt und sich ganz dem Ziel verschrieben, aus Joop! eine "intelligente, deutsche Designermarke" zu machen. 500 Gäste konnten Ende Januar im Museum Hamburger Bahnhof erleben, wie er diesem ein Stück näherkam. Dem Zufall überließ er dabei nichts. Er beauftragte Profis aus seiner Zeit in Paris mit Model-Casting, Make-up und Musikauswahl; eine Woche dauerte der Aufbau des aufwändigen Bühnenbilds eines Tunnelausgangs und die Installation des Lichts. Das Ergebnis: eine inspirierende Show auf internationalem Niveau - für viele die einzige während der gesamten Fashion Week.

Es waren die subtilen Details, die der soliden Kollektion den Hauch Avantgarde verliehen, die Schönberger für seine Glaubwürdigkeit braucht, ohne die Marschroute der Marke zu verwässern. Gut verkäufliche Anzüge, Hemden und Mäntel für Herren konterkarierte er für die Show durch hochgeschlossene, anrüchige Lederkrägen. Die glitzernden Damen-Pumphosen zu hautengen Rollkragenpullovern werden in der Kombination so wahrscheinlich nie ein Geschäft von innen sehen - allein der Esprit und die Idee dahinter bleiben. "Wir stehen ganz am Anfang, und ich definiere einen Standard, indem ich die Messlatte langsam immer ein Stück höher lege und das Team fordere", erklärt er mit ruhiger Stimme.

Etwas Besonderes

Mit feiner Beobachtungsgabe und enormem Gespür für die Bedürfnisse der Zeit gesegnet, gelingt es Schönberger, Stabilität und Entwicklung in Einklang zu bringen. Er verprellt Handel und Konsumenten nicht durch krasse Schnellschüsse, sondern erzieht sie langsam in seinem Sinne.

"Mir geht es um eine markenübergreifende Denke, ich möchte Begehrlichkeit wecken. Gerade in Krisenzeiten brauchen die Leute etwas Besonderes, um aus dem Einheitslook herauszustechen!" Das Besondere ist dabei jedoch niemals laut: Schönberger-Entwürfe sind präsent, ohne aufdringlich zu sein, so wie die schlichten Hemden und Anzüge in Grau oder Schwarz, die er selbst am liebsten trägt.

Inspiriert von Blumfeld und Autos

Subversive deutsche Kunst wie die von Neo Rauch oder Daniel Richter inspirieren ihn, Musik von Blumfeld und Autos, obgleich er selbst keines besitzt. "Es gibt nichts Schöneres, als in einen Wagen mit fantastischer Innenausstattung zu steigen, das Leder, die Haptik von Stahl; das gefällt mir." "Auto Erotik" hieß dann auch die letzte Kollektion und zeigte viele technische Materialien und futuristische Ansätze. Seine eigene Zukunft sieht der Designer vorerst im Hause Joop!. "Ich schließe nicht aus, dass ich irgendwann meine eigene Linie wiederbelebe. Es reizt mich, Erfahrungen bei einer großen Marke zu sammeln, und ich war fest davon überzeugt, die Distanz wahren zu können, wenn mein Name nicht auf dem Etikett steht. Da hab ich mich geirrt. Dieser Job ist eine echte Herzensangelegenheit geworden."

Der kommerzielle Erfolg dürfte ihn zusätzlich beflügeln, denn seine Lektion in Sachen Überleben am Markt hat Schönberger in Paris gelernt, als die Existenz seines Labels nicht selten auf der Kippe stand. Trotz der nötigen Kompromisse, vernünftiger sei er dennoch nicht geworden, betont er.

Und so beendete er seine persönliche Fashion Week hinter einem DJ-Pult und spielte, adrett gekleidet wie immer, Rockplatten für das grölende Publikum einer Szeneveranstaltung. Ganz "Berlin", meistert das neue Gesicht von Joop! selbst den Spagat zwischen Underground und Establishment, und vielleicht könnte gerade das ihn zum Aushängeschild einer neuen, spannend-schönen, deutschen Identität machen. (Romy Uebel/Der Standard/rondo/13/03/2009)