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Tee selber kochen - "Nicht gestattet" in den Hütten des Alpenvereins.

In einer Woche ist Ski-Opening in der Silvretta-Arena in Ischgl. Das weckt nostalgische Erinnerungen. Vor fast dreißig Jahren, im März 1960, durchquerten wir zu acht eine Woche lang die Silvretta. Die Stützpunkte waren Heidelberger Hütte, Jamtalhütte und Wiesbadener Hütte, die Tourenziele Piz Tasna, Breite Krone, Vordere Jamspitze, Augstenberg, Dreiländerspitze und Piz Buin.

Die Skier waren damals zwischen 2,05 und 2,10 Meter lang und aus Holz. Die Steigfelle wurden mit Riemen und Metallstrammern gespannt und rissen häufig. Deshalb gehörten Nadel und starker Faden ebenso zur Skitourenausrüstung wie das "Skispitzel" aus Blech, das im Falle eines Skibruchs eine notdürftige Abfahrt im Tiefschnee erlaubte.

Die Hauptlast des Rucksacks, der gleich am ersten Nachmittag im vierstündigen Anstieg von Ischgl zur Heidelberger Hütte getragen werden musste, bildete aber die Verpflegung. Deren Grundlage war ein großer Laib Schwarzbrot, der mit Butter, Marmelade, Kantwurst, Streichwurst und Schmelzkäse belegt wurde. Nescafé, Schwarztee, Zitronen und Würfelzucker lieferten die flüssige Nahrung, Äpfel und Orangen die Vitamine, Schokolade, Dörrobst und "Studentenfutter" die Nascherei. Besonders Fortschrittliche hatten Haferflocken und Rosinen dabei, aus denen mit Kondensmilch aus der Tube ein Müsli gerührt wurde, das damals freilich nicht so, sondern Haferschlatz hieß.

Bergsteigeressen nicht vergessen

Vom Wirt der Alpenvereinshütten wurde heißes Wasser für den Tee, gelegentlich ein Skiwasser (Orangensirup, verdünnt mit kaltem oder warmem Wasser) und nach einer besonders anstrengenden Tour ein Bergsteigeressen (gewöhnlich Tiroler Gröstl oder Bratwurst mit Erdäpfeln) konsumiert. Beim nachmittäglichen Pokern spielten wir um Bier, dieses wurde allerdings nicht auf den AV-Hütten getrunken, wo die Flasche damals 15 Schilling kostete, sondern am Ende der Woche vor Abfahrt des Zuges im Gasthaus Schrofenstein in Landeck (Preis 3,50 Schilling für das Krügel).

Für die Wirte der AV-Hütten war diese Selbstverpflegung in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts etwas Selbstverständliches. Die Satzungen des Alpenvereins sagten ausdrücklich, dass jeder Besucher berechtigt ist, "ohne in der Aufnahme und Behandlung zurückgesetzt zu werden, seine eigenen Vorräte zu verzehren, ausgenommen alkoholische Getränke".

Dies gilt seit heuer nicht mehr und sorgte alsbald für Unmut. "Selbstversorger bald unerwünscht", lautete schon im Vorfeld eine Schlagzeile in der Tiroler Tageszeitung, und in diversen Internet-Foren berichteten Bergsteiger von Hüttenwirten, die ihnen mit Übernachtungsverweigerung gedroht hätten, falls sie ihren mitgebrachten Proviant nicht wieder einpackten. Grundlage solcher Hüttenwirtsentscheidungen ist die heuer in Kraft getretene neue Hüttenordnung des Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Alpenvereins. Darin heißt es: "Selbstversorgung ist nicht gestattet." Ausgenommen sind AV-Mitglieder und Gleichgestellte (Mitglieder anderer alpiner Vereinigungen wie etwa die Naturfreunde), "die jedoch, wenn sie nichts konsumieren, einen Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur der Hütte entrichten". Dieser liegt derzeit bei 2,50 Euro pro Person, Kinder und Jugendliche ausgenommen.

Der Hüttenreferent des ÖAV, Peter Kapelari, von den Gegnern der neuen Regelung umgehend zum Buhmann erklärt, verteidigt das Selbstversorgungsverbot. Die Umweltschutzauflagen, aber auch die Erwartungen der Gäste hinsichtlich Komfort stelle die AV-Sektionen als Hüttenerhalter vor immer größere finanzielle Probleme. Die Kilowattstunde Strom koste auf manchen Hütten bereits vier Euro, eine einzige Klospülung bis zu fünf Euro. Von den öffentlichen Förderstellen würde der AV immer deutlicher dazu aufgefordert, die Eigenertragskraft der Hütten zu erhalten und zu nutzen. Im Übrigen sei es Sache jedes einzelnen Hüttenwirts, wie sehr er auf die Einhaltung des Verbots achte. Mit einer offenen Aufforderung zur Selbstverpflegung sei es aber vorbei.

Zwar sind Hütten in klassischen Tourengebieten oder solche im Bereich von Skistationen wie Ischgl für Wirte attraktiv, doch insgesamt sei die Fluktuation der Pächter drastisch gestiegen. Während acht AV-Häuser - wie die Dortmunder Hütte im Wintersportort Kühtai - zur sogenannten Hotelkategorie 3 zählen, in der auch bisher keine Selbstversorgung gestattet war, gehören 80 Prozent der insgesamt 560 AV-Hütten auf österreichischem Gebiet zur Kategorie 1 mit mindestens einer Stunde Anstieg. In diesen sei, so behauptet Kapelari, die Zahl der Selbstversorger deutlich gestiegen, - begünstigt auch durch Leichtmetalldosen, PET-Flaschen und Gaskocher, sehr zum Leidwesen der Hüttenpächter, die sich auch noch mit der Beseitigung der Abfälle herumschlagen müssten.Der nostalgische Tourengeher mag es bedauern, aber das Hüttenleben habe sich geändert, Schutzhütten seien Wirtschaftsbetriebe. Hygiene und Komfort würden erwartet, ebenso die üppige Menükarte und das Sortiment an Bouteillenweinen - nicht nur in der Silvretta. (Horst Christoph/DER STANDARD/Rondo/21.11.2008)