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Gothics huldigen dem schönen Tod, sie ästhetisieren das Morbide und erotisieren das Leiden. Ihre Lieblingsfarbe ist Schwarz. Das ist folgerichtig: Sie ist die Farbe des Todes, aber auch der Eleganz und der Aristokratie.

Foto: APA/EPA/Hugo Philpott

Es war eine Party, die in die Geschichte der Mode einging. "Absolument noir" lautete der Dresscode, geladen hatte Karl Lagerfelds Freund Jacques de Bascher. Von Anfang an war die Party als Bruch mit ähnlichen Festlichkeiten angelegt. Oder wie sich Lagerfeld ausdrückte: "Wir hatten genug von diesen Partys mit blonden, das ganze Jahr über gleich braungebrannten Frauen."

Es traten auf: Gestalten, ganz in Leder gehüllt (unter ihnen der Modeschöpfer Claude Montana), Soldaten, die bei der Waffen-SS eine solide Figur gemacht hätten, dunkel verschleierte Witwen, Raben und Schleiereulen. In der Mode sollte es nach diesem Pariser Abend im Oktober 1977, der im Anschluss an die Chloé-Modeschau abgehalten wurde, zu einem Boom an dunklen, romantischen Gewändern kommen. Die Hochzeit der Gothic-Mode war angebrochen.

Manifestationen

Ob Lagerfelds Party dafür ein Auslöser war oder er vielmehr auf einen Trend reagierte, der schon längst auf der Straße zu beobachten war, ist im Nachhinein schwer zu sagen. Sicher ist, dass die Go- thics Ende der Siebziger- und Anfang der Achtzigerjahre ihren Höhenpunkt erlebten - in der Musik genauso wie in der Mode. Letzteres wurde bis heute weit weniger untersucht als die unterschiedlichen musikalischen Manifestationen. Die amerikanische Modewissenschafterin Valerie Steele holt das Versäumte jetzt nach: In ihrer Ausstellung im Fashion Institute of Technology in New York und im wunderbaren Katalog geht sie allerdings weniger dem dunklen Glamour besagter Subkultur nach als dem morbiden Charme eines Phänomens, welches viel älter ist und bis zum heutigen Tag in der Mode fröhliche Urstände feiert.

Das Werk von Modeschöpfern wie Yohji Yamamoto, Alexander McQueen oder John Galliano und neuerdings natürlich auch von Gareth Pugh sind ohne das Vokabular des Dunklen und Düsteren, des Unheimlichen und Zwielichtigen, der Destruktion und des Zerfalls kaum zu beschreiben. Diese Designer widmen sich der Kehrseite der Schönheit - und finden diese im Dunklen und Mystischen. Das hat eine lange Tradition: Die "barbarischen Goten" wurden als das Gegenteil der klassischen Zivilisation angesehen, die Aufklärung belegte später ein ganzes Zeitalter, das Mittelalter, mit dem Verdikt der Dunkelheit. Als Zeit der Hexerei, des Aberglaubens und des Fanatismus war das Mittelalter aber auch eine Epoche, von der eine besondere Faszination ausging und viele Literaten und Maler beschäftigte. Die Farbe, die sie am liebsten einsetzten, war Schwarz.

Der schöne Tod

Sie symbolisiert den Tod und den Teufel, genauso wie sie die Farbe der Eleganz ist und (lange) der Aristokratie war. Dieses Changieren zwischen dem Abstoßenden und Anziehenden zeichnet das Go-thic-Phänomen im Allgemeinen aus. Es ist der schöne Tod, dem man huldigt, das Morbide wird ästhetisiert, das Leiden erotisiert. Die Punks standen den Gothics vielleicht gerade deswegen ablehnend gegenüber: Sie witterten in der exzessiven Verwendung des dunklen Kajalstifts und der angestrengten Kostümierung eine weitere Form bürgerlicher Ästhetisierung. Für Modeschöpfer ist das Reich des Dunklen dagegen ein lohnendes Gebiet, und zwar schon lange bevor Jugendliche mit langen Ledermänteln und schwarz gefärbten Haaren die Straßenecken bevölkerten. Elsa Schiaparelli etwa, die große Gegenspielerin von Coco Chanel, entwarf bereits 1938 zusammen mit Salvador Dalí ein Skelett-Kleid.

So radikal gerierte sich die High Fashion erst in den Achtzigern wieder, als Comme des Garçons ihren Hiroshima-Look in Europa vorstellte. Der Akt der Zerstörung wurde, zum Entsetzen der Modepresse, als ein Akt der Erschaffung gefeiert. Den größten Anteil an der Konjunktur von Gothic-Mode haben aber weniger die Designer als die Stylisten und Fotografen. Sie waren es, die Bilder von morbider Schönheit erschufen, die in Wellen über die Modepresse schwappten.

Phantasmagorien des Unheimlichen

Jemand wie Sean Ellis, der grundlegend von Horrorfilmen beeinflusst ist (eine seiner einflussreichen Strecken trug den Titel "Der Geschmack von Arsen"), inszenierte immer wieder Phantasmagorien des Unheimlichen. Mit dieser Lust am Düsteren können nur wenige Designer mithalten, an vorderster Stelle Alexander McQueen. Er ist der wahrscheinlich maßgeblichste zeitgenössische Go- thic-Designer. Seine Kollektionen bergen eine Fülle von mittelalterlichen Ikonografien von Tod und Hexerei, von Satanismus und Verfall. Genauso wie John Galliano vertheatralisiert er seine Kollektionen zu anspielungsreichen Visionen von Memento-mori-Bildern.

Das erscheint nur folgerichtig: Die Mode, die den Tod gewissermaßen in sich trägt, da sie morgen schon wieder passé ist, sollte über ihn auch etwas zu sagen haben. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/21/11/2008)