Müssten Kellner nicht selbst zumindest jeden Abend eine Grundreinigung der Schankanlage durchführen?

Foto: Matthias Cremer

Wenn es stinkt, ist es längst zu spät. Es stinkt aber bedenklich oft, wenn man in ein Bierglas hineinriecht. "Nachtwächter" heißt das Phänomen in der Fachsprache: Wenn Bier über Nacht in den Leitungen zwischen Fass und Zapfhahn stehen bleibt, vermehren sich darin Keime. Hat man dann das Pech, als erster Gast ein Fassbier serviert zu bekommen, kann es erbärmlich stinken oder sauer schmecken oder so trüb aussehen wie sonst nur ein Zwicklbier. Oder alles gleichzeitig.

Man weiß zwar, dass im Bier gesundheitsschädliche Keime keine Überlebenschance haben - aber das ist ein geringer Trost, wenn 50.000 (da treten unangenehme Gerüche und Fehlgeschmäcker auf) bis 100.000 Keime (da wird auch klarfiltriertes Bier wieder trüb) pro Milliliter im Bier schwimmen; auch wenn sie nicht krank machen, Ekel erregen sie allemal.

Noch schlimmer: In vielen Gaststätten hilft es auch nicht, sich zu beschweren. Da wird dann versichert, dass das Bier eben so von der Brauerei geliefert werde; dass die Leitungen ohnehin vorschriftsmäßig gereinigt werden (das heißt in Österreich aber nur: alle drei Monate) - und dass sich im Übrigen kein anderer Gast beschwert hätte. Auf dem Draft Beer Congress, zu dem vor zwei Wochen der Reinigungsmittelhersteller Thonhauser nach Wien geladen hatte, wurden alle diese Probleme angesprochen - dass sie auch in anderen Ländern auftreten, macht die Sache natürlich keineswegs besser.

Aber das Bewusstsein dafür, dass von 1,8 Millionen Bierleitungen in Europa ein beachtlicher Teil nicht ausreichend gepflegt wird, führt auch dazu, dass brauereiübergreifend nach Abhilfe gesucht wird: Müssten Kellner nicht selbst zumindest jeden Abend eine Grundreinigung der Schankanlage durchführen? Müssten sie nicht jeden Tag in der Früh das Bier aus allen Bierleitungen verkosten, um sichergehen zu können, dass der Gast auch wirklich nur unverkeimtes Bier vorgesetzt bekommt? Ja, das könnte Bedingung sein für einen europäischen Schankanlagenführerschein, die "Tapping License". Bei Carlsberg und Heineken wird schon ein Konzept gebastelt. (Conrad Seidl/Der Standard/rondo/07/11/2008)