Technisch entstehen die Bilder von Anna Ceeh, indem sie ihren Drucker im Do-it-yourself-Verfahren überlistet.

Foto: Hersteller

Fotografisch inszeniert die Künstlerin sich selbst, oft in Posen mit starken Konnotationen.

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Manchmal unterscheiden sich Finanz- und Kunstwelt nicht groß voneinander: Wenn es darum geht, anderen etwas vorzugaukeln. Während in den USA die Banken lange gut davon gelebt haben, sich gegenseitig faule Kredite zu verkaufen, verkauft die in Wien lebende Video- und Fotokünstlerin Anna Ceeh ihren Drucker für dumm - und fährt damit nicht schlecht: An diesem Wochenende stellt die Wiener Galerie Charim ihre Arbeiten auf der Art Forum Berlin aus, der Internationalen Messe für Gegenwartskunst.

Um ihre Fotografien künstlerisch zu bearbeiten, manipuliert Ceeh ihren Drucker. Mittels eines Resetters gaukelt sie ihm vor, seine sechs Patronen mit genügend Farbe nachgefüllt zu haben. Was nicht jedes Mal stimmt, und so zwingt sie die Maschine, die fehlende Farbe anders zu ersetzen. Heraus kommen hyperreale Bilder von prächtiger Farbigkeit und wilder Künstlichkeit. Mitunter verraten feine Längsstriche auf dem Bild, dass hier ein Drucker am Werk war und keine Bildbearbeitungssoftware.

Wie Siebdruckverfahren

Das ist nur ein Trick der Künstlerin, wie sie zu ihren Bildern kommt, einen anderen verrät die 1974 im ehemaligen Leningrad geborene Ceeh noch: "Manchmal dauert es Wochen, bis ein Sujet für mich fertig ist und seine farbliche Intensität erreicht hat. Dazu werden die Fotos bei der nächsten Farbphase des Druckers überdruckt, die Farben also nicht i i gemischt, sondern wie im Siebdruckverfahren Schritt für Schritt aufgetragen." Sie ist die Frau, die "einen Dialog mit dem Drucker" führt.

Wer die ständig Reisende in Wien trifft, sieht sich einer Frau mit langen, braunen Haaren gegenüber, die Beine in schmalen Jeans, ihre rechte Hand umfasst ein silbernes Handy, dessen Abnutzung von häufigem Gebrauch zeugt. Mit 17 Jahren nach Deutschland ausgewandert, sechs Jahre später nach Wien gekommen, hält es die gebürtige Russin heute selten länger als ein paar Wochen am Stück in der Stadt aus. Dann geht es wieder los, nach Russland, in die Ukraine, die baltischen Staaten, vor kurzem war sie in Israel. Als Managerin eines Elektronik-Musik-Labels, die derzeit an der Akademie der bildenden Künste bei Diedrich Diederichsen über russische Synthesizer promoviert, ist das dauernde Unterwegssein ein Teil ihres beruflichen Ichs. Einerseits. Andererseits reflektiert das Thema Mobilität auch ihren biografischen Hintergrund.

"Anna Ceeh verhandelt die Position des ständigen Reisens, ihre Arbeiten zeugen von dieser Zwischenexistenz als jemand, der zwischen den Nationalitäten lebt", sagt Walter Seidl, Kurator der Erste-Bank-Kunstsammlung, die Ceeh unterstützt. "Das ist ein Thema, das sich seit der Erfindung der Fotografie durch die Kunstgeschichte zieht. Wie Anna Ceeh dieses Thema weiterführt, ist spannend, ihre Manipulationsmethoden sind sehr heutig."

Auf ihren Fotos, die sie mit der Handykamera aufnimmt, inszeniert die 34-Jährige fast ausschließlich sich selbst, manchmal auch ihre Tochter. Heraus kommen Sujets wie diese: Nahaufnahmen von ihren Beinen, von denen sie gerade Nylons rollt oder ein Strumpfband mit dem spitzen Absatz ihres Stiefels zieht. Ceeh mit zerrissener Strumpfhose und Kapuzenjacke, ihre Augen blockt ein weißer Balken. Ein Bild, auf dem sie von hinten im Rock zu sehen ist, ohne Oberkörper, nur Beine und Hintern. Oder, siehe unten, Anna Ceeh im roten Fransenkleid, die Haare verdecken ihr Gesicht, über der Schulter trägt sie etwas, was auf den ersten Blick nach einer Tasche aussieht, sich aber dann als Schuh in einer Strumpfhose entpuppt: Das Ergebnis einer Performance, erklärt Ceeh, als sie mit Fundstücken ihrer Reisen den Ausstellungsort bespielte.

Voyeuristische Bilder

Sind das pornografische Bilder? Nein, meint Miryam Charim, Inhaberin der Galerie Charim in Wien, die Ceehs Arbeiten in Berlin zeigen wird. "Es sind voyeuristische Bilder, bei denen die Identität verdeckt ist, aber der Körper zur Schau gestellt wird. Darin ähnelt Anna Ceehs Thematik jener von VALIE EXPORT: Frauen und der obskure Blick auf sie." Was VALIE EXPORT abgehandelt hat, interessiere Ceeh allerdings nicht mehr, unterscheidet Charim, "Anna hat sich ihre feministische Position schon erarbeitet und setzt sich nun mit ihrer privaten Befindlichkeit in den Bildern auseinander." Auch wenn die Provokation in den Bildern von Ceeh nicht beabsichtigt sei, sie stecke in ihnen drin: Weil sie die Blicke dorthin lenkt, wo man nicht hinschauen soll.

Die Künstlerin selbst drückt es so aus: "Der Reiz steckt gerade in der Ambivalenz. Wer genau hinschaut, sieht, dass es eigentlich nichts zu sehen gibt. Es ist eher so, dass bestimmte Posen eine starke Konnotation für den Betrachter haben." Und die Balken über den Augen? "In den Bildern gibt es eine kompositorische Überhöhung, die mit der Person nichts zu tun hat. Weil Augen aber etwas sehr Persönliches sind, balke ich sie."

Statt über pornografische Konnotationen spricht Ceeh lieber über die Technik. "Mich interessiert nicht das saubere, klinisch reine Bild", sagt sie. "Mich reizt der Prozess der Herstellung: ein perfekt funktionierendes Gerät wie einen Farbdrucker außer Gefecht zu setzen und zum Do-it-yourself-Verfahren überzugehen." Ihr Handy ist nicht das allerneuste Modell, aber mit zuverlässiger Kamera, "es ist die Verlängerung von mir selbst." Am Fotografieren mit dem Handy mag sie das Distanzlose, das unüberlegte Arbeiten, die Geschwindigkeit. Überhaupt ist es, als liefe in ihr ein nimmermüder Motor, einer, der sie ständig antreibt - und der auch der Grund ist, warum sich Anna Ceeh nicht sehr für ihre eigenen Produkte interessiert, wenn sie fertig sind. "Ich arbeite an mehreren Fronten: Videos, Musikevents, Fotos, Performances. Da muss es immer weitergehen." (Mareike Müller/Der Standard/rondo/31/10/2008)