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Leslie fand, dass er das letzte Vorbild für Uneitelkeit war.

Foto: APA/EPA/ROBERT JAEGER

Leslie redete von den großen Zeiten, die damals vorbei waren, und den kleinen, die noch nicht angefangen hatten. "Und wir sind stundenlang freigefahren", erinnerte sie sich. Als damals die Schülerfreifahrt eingeführt wurde, habe sie ihren Ausweis mit ihrem Namen stolz hinter dem Klarsichtfolienfenster auf ihrer Schultasche getragen. Am Nachmittag sei sie oft im Bus oder in der Straßenbahn gesessen und von einem Ende der Stadt bis zum anderen gefahren.

"So frei habe ich mich nachher und vorher nicht gefühlt." Und auch jetzt noch, wenn sie ins Ausland reise, würde sie zunächst einmal nur Bus fahren. Wegen Fred Sinowatz habe sie gelernt, wie man etwas erforschen soll. Und nur Fred Sinowatz habe sie es zu verdanken, dass sie neugierig, aber bescheiden die Städte durchstreifte. "Wahrscheinlich hast du Fred Sinowatz auch zu verdanken, dass du Fahrrad fahren kannst", sagte Zora, die nicht mitreden konnte, weil sie in den Achtzigern noch nicht in Österreich gelebt hatte. "Hat er dir auch diese Sentimentalität beigebracht?"

Yvonne fand, dass Zora da völlig falsch lag. "Nein, der war lustig. Natürlich sind wir damals auf die Jungs in der Au gestanden und nicht auf den Kanzler. Die hatten lange Haare und Glasperlenketten, die haben Schlagzeug gespielt, und wir, die wir gegen den sauren Regen kämpften, dachten, sie würden das für die Gerechtigkeit tun." Aber im Nachhinein, so Yvonne, im Nachhinein sei Fred Sinowatz viel cooler gewesen als all die Jungs. "Kannst du dich erinnern, Leslie, wie er auf der Bühne getanzt hat? Und wie er gekickt hat und Rodel gefahren ist? Und wie ihm egal war, ob das fesch war?"

Leslie fand, dass er das letzte Vorbild für Uneitelkeit war. "Wir 86er müssen jetzt für die Demokratisierung der Schönheit kämpfen. Damit jeder wieder so glücklich wird wie damals, als man noch viel mehr Möglichkeiten hatte auszuschauen." Sie zeichnete sich selbst, wie sie sich an Fred Sinowatz lehnte, als sie mit ihm im Bob einen endlosen Zauberberg hinunterzischte. (Adelheid Wölfl/Der Standard/rondo/22/08/2008)