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Grafik: APA/Standard
Kenner der Materie sprechen von der dicksten Sachverhaltsdarstellung, die die Staatsanwaltschaft in den letzten Jahren rund um eine Unternehmensinsolvenz bekommen hat. Zweieinhalb Jahre nach der Pleite der Internetcompany YLine – mit Verbindungen zur FPÖ und Finanzminister Karl-Heinz Grasser – wird nun Kapitel für Kapitel ein regelrechter Wirtschaftskrimi aufgeblättert. Insider sprechen vom "Faktor zehn", wenn es um die vergleichsweise läppischen Summen in der Suche nach den verschwundenen Libro-Millionen geht.

YLine-Masseverwalter Christoph Stapf, der wegen des laufenden Verfahrens keine Stellungnahme abgibt, hat laut Gläubigerschützern 2,4 Mio. Euro gesammelt. Eine dem Standard vorliegende Aufstellung über eingebrachte zivilrechtliche Klagen gegen YLine-Vorstände und -Aufsichtsräte ließe den Schluss zu, dass weitere 30 bis 40 Mio. Euro für die Konkursmasse zu holen wären.

Aktien statt Cash

Weshalb? Vorstände, Aufsichtsräte und dem Unternehmen nahe stehende Personen haben – so der Vorwurf – kleine, relativ wertlose Unternehmen am Fließband gekauft. Dann wurden diese zu astronomischen Bewertungen als Sacheinlage in die YLine eingebracht und mit YLine-Aktien vom Unternehmen bezahlt. Diese Aktien wurden dann von Vorständen und Aufsichtsräten an der Börse schnell verkauft. Einige leitende Mitarbeiter sollen so zu einem gewaltigen Privatvermögen gekommen sein, und dieses sei noch vorhanden. 30 bis 40 Millionen könnten so zurückgeklagt werden, geht aus einem Gutachten des Wirtschaftsprüfers Thomas Keppert hervor. Ein von Stapf relativ rasch erzielter 1,4-Millionen-Euro-Vergleich mit einer Sparkasse, die als Sacheinleger einer YLine-Tochter auftrat, habe die Praxis veranschaulicht.

Sacheinlage

Ein weiteres Beispiel: Auch die Firma Primus Service Group kam als Sacheinlage unter das YLine-Dach. Laut Gutachten wäre die "Wertobergrenze der Sacheinlage mit rund 2,1 Millionen Euro anzusetzen" gewesen. "Vergleicht man dies mit dem Ausgabebetrag der Aktien (30,9 Mio. Euro, Anm.) ergibt sich eine Überbewertung der Sacheinlage von 28,8 Mio. Euro" Klagen gegen den Sacheinleger Primus Online, die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young sowie die verantwortlichen YLine-Vorstandsmitglieder wurden eingebracht.

YLine-Gründer Werner Böhm und seine Exkollegen bestreiten die falschen Firmenbewertungen und späteren Aktienverkäufe. Vor allem hätte man sich auf die Wirtschaftsprüfungskanzleien verlassen. Ein Gutachten der Finanzmarktaufsicht, welches penibel die Aktiendeals der Manager und Aufsichtsräte auflistet, soll endgültig Licht ins YLine-Dunkel bringen. Klagen wegen des Verdachts des Insiderhandels wurden eingebracht. YLine galt ab Anfang 2001 als pleite.

Nur 4,7 Millionen anerkannt

Insgesamt wurden an Forderungen im YLine-Konkurs 52,1 Mio. Euro angemeldet, davon hat der Masseverwalter nur 4,7 Mio. Euro anerkannt. Zuzüglich der Forderungen der Finanz über 3,3 Mio. Euro ergeben sich derzeit zu bedienende Schulden von acht Mio. Euro. Kommt der Masseverwalter mit allen Klagen durch, könnte eine 100-Prozent-Quote herausschauen.

Doch in der Zwischenzeit versucht YLine-Gründer Böhm – wie exklusiv berichtet – einen Zwangsausgleich, in der Hoffnung, aus den zivil- und strafrechtlichen Verfahren möglichst unbescholten zu entkommen. Für Böhm sowie für alle anderen Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

"IBM hilft nur sich selbst, sonst niemandem"

Ein Problem besteht für Stapf darin, dass drei wesentliche YLine-Töchter – die ebenfalls als "Sacheinlagen" geschnupften Kontornet, Cubit und FirstInEx – vom Gerichtsgutachter noch nicht fertig bewertet sind. Bringt Böhm vor dem Vorliegen der Gutachten mithilfe von YLine-Hauptgläubiger IBM – mit noch nicht anerkannten Forderungen über 16 Mio. Euro – den Zwangsausgleich zustande, wird "nach den Gutachten kein Hahn mehr krähen", sagte ein Gläubigerschützer.

Böhm will nichts von einem Forderungsverzicht IBMs gehört haben: "IBM hilft nur sich selbst, sonst niemandem." IBM ist der frühere Arbeitgeber Böhms. Leitende Angestellte waren YLine-Aktionäre, der frühere IBM-Chef Günther Pridt zeitweise YLine- Vorstand. Auch wenn IBM auf seine 16 Mio. Euro verzichtet, damit Böhm die Ausgleichsquote bezahlen kann, verarmt IBM nicht.

Branchenkenner wissen, dass IBM ein großer Auftragnehmer diverser Ministerien ist. Und hier kommt die hohe Politik ins Spiel.

Die YLine-Tochter FirstInEx ist durch die Homepageaffäre Grassers in die Schlagzeilen geraten. Böhm bestreitet jeden Kontakt mit Grasser. (Michael Bachner, Der Standard, Printausgabe, 21.02.2004)