Liebe aus der ungesicherten Distanz: Nicole Kidman und Jude Law in Anthony Minghellas US-Bürgerkriegsdrama "Unterwegs nach Cold Mountain".

Foto: Buena Vista

Derbe Alternative: Renée Zellweger als lebenstüchtiges Landmädchen

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Anthony Minghella inszeniert in "Cold Mountain" den Krieg als traumatisches Elementarereignis und die Liebe als trotz allem resistenten Hoffnungsträger. Nicole Kidman und Jude Law spielen die Hauptrollen.

Wien – Morgen ist ein neuer Tag. Am Ende von Cold Mountain / Unterwegs nach Cold Mountain wird man noch einmal an Vom Winde verweht erinnert – jene prototypische Südstaatensaga, als deren zeitgenössisches Pendant der Film mitunter erscheint.

An einem Sommertag sind einander Ada (Nicole Kidman) und Inman (Jude Law) lange vorher zum ersten Mal begegnet. Wenig später – wir befinden uns in den USA der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – kommt der Bürgerkrieg, und Inman zieht aufseiten der Konföderierten in den Kampf. Seine Verlobte bleibt zurück, und die Hoffnung auf ein Wiedersehen bildet den roten Faden einer episch angelegten Liebesgeschichte.

Einerseits ist Anthony Minghellas jüngster, für sieben Oscars nominierter Film also großes (Gefühls-)Kino, dessen Kern nämliche große Liebe samt aufgeschobenem Vollzug bildet. Andererseits bearbeitet er dieses Terrain jedoch mit Mitteln des zeitgenössischen Kinos.

Gleich zu Beginn des Films wird beispielsweise der Krieg als eine physische Erfahrung etabliert: Anstelle der privilegierten Perspektive des Feldherrnhügels, im US-Kino spätestens seit Saving Private Ryan obsolet, wird auch hier der Verlust jeglichen Überblicks vorexerziert (der zugleich klare Freund-Feind-Schemata aufhebt). Auf Granatenbeschuss folgt heilloses Getümmel, stürzende, blutende Körper überall – Opfer von "friendly fire" inklusive.

Dieses Bild vom Krieg als traumatisches Elementarereignis bleibt nicht auf den unmittelbaren Schauplatz kämpferischer Auseinandersetzungen beschränkt. Die klare Frontlinie ist aufgelöst. Vom Krieg an Leib und Seele Versehrte bevölkern noch die entlegensten Flecken, die der Held, inzwischen desertiert, auf seiner langen Wanderung zurück nach Hause kreuzt.

Insofern ist es vielleicht nur konsequent, dass der eigentliche Anlass der Kriegshandlungen, die Politik Lincolns, das wirtschaftliche Verhältnis zwischen Norden und Süden und die damit verknüpfte "Sklavenfrage" in Cold Mountain so gut wie gar nicht auftauchen – sieht man von einem versprengten Grüppchen Schwarzer ab, die, kaum im Bild, schon einer Horde von Marodeuren zum Opfer fallen.

Stattdessen werden der Wanderbewegung Inmans die Heimsuchungen der in Cold Mountain verbliebenen Ada gegenübergestellt, wo mit dem Tod des Vaters nicht nur das Familieneinkommen versiegt, sondern selbst ernannte neue Gesetzeshüter gegen die eigene Community vorgehen.

Nicole Kidman gibt dieser Figur in konzentrierter Weise Gestalt: Ada, die wie ein Wesen aus einer anderen Welt in Cold Mountain eintrifft, gewinnt mit der Zeit an körperlicher Präsenz und Durchsetzungsvermögen.

Opulente Historie

Daneben agiert Renée Zellweger ungleich vordergründiger als lebenstüchtiges Landmädchen – ein wenig vergleichbar mit jener schillernden Rolle, die Daniel Day Lewis in Martin Scorseses Gangs of New York verkörperte, einem anderen Entwurf für opulentes Historienkino aus dem Hause Miramax.

Während Scorsese eine archetypisch anmutende Vater-Sohn-Geschichte in einen möglichst facettenreichen, historisch informierten Kontext montierte, verfolgt Minghella mehr eine Erziehung des Herzens. Der Stadtchronik Scorseses stellt er sozusagen einen mitunter romantisierenden Blick aufs Hinterland gegenüber.

Bei Scorsese steht irgendwann der Besuch einer Burleske-Aufführung auf dem Programm, bei Minghella singt man Folk-Traditionals am Lagerfeuer. Darin ist keine Wertung enthalten, aber es veranschaulicht unterschiedliche Standpunkte. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.2.2004)