Die meisten Obsorgeverfahren nach Scheidungen gehen einvernehmlich über die Bühne (siehe Grafik). Wird jedoch ein Streit daraus und dieser vor Gericht gebracht, "so gibt es auf alle Fälle zwei Verlierer", weiß die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits. Und zwar "der Elternteil, der in dem Verfahren unterliegt" sowie "die betroffenen Kinder".

Insgesamt kann sich die Kinderlobbyistin des Eindrucks nicht erwehren, "dass viele Erwachsene in solchen Situationen die Eigenverantwortung abgeben". Etwa im Fall von drei minderjährigen Buben in Wien, die "in dem seit sieben Jahren andauernden Obsorgestreit ihrer Eltern schon neun psychologische Begutachtungen über sich haben ergehen lassen müssen".

Gemeinsame Obsorge

Solche Fälle hätten sich auch durch die seit 1. Juli 2001 mögliche - aber im Unterschied zu Deutschland keineswegs verpflichtende - gemeinsame Obsorge der geschiedenen Eltern für ihre Kinder nicht vervielfacht: Gemeinsame Obsorge, so Pinterits, werde eben nur in Fällen beantragt, "wo ohnehin Einigkeit besteht".

Um akute Konflikte zu entschärfen, plädiert sie stattdessen dafür "die Ressourcen von Gerichten und Gutachtern weg in die psychosoziale Beratung hinein" zu lenken: "Die Eltern sollen mit Profis an Lösungen arbeiten."

Zudem solle mehr Geld in Besuchskaffees - Orte, wo Kinder und geschiedener Elternteil unter Aufsicht zusammentreffen können -, Besuchsbegleitung sowie Rainbowgruppen für Kinder in familiären Krisensituationen gesteckt werden. Sowie in eine "verpflichtende Zusatzausbildung von Pflegschaftsrichtern in Kinderpsychologie". (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 29.1.2004)