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Kristian Ghedina ist nicht nur auf Abfahrtspisten rasant unterwegs.

Foto: APA/ Jäger
der Standard: Kristian, was ist Ihnen da eingefallen? Ghedina: Sie meinen die Grätsche beim Zielsprung?

STANDARD: Ja, genau, ich meine die Grätsche beim Zielsprung, die Grätsche mit 130 km/h.
Ghedina: Ich wollte den Leuten ein bisschen Spektakel bieten. Vielleicht war das meine letzte Abfahrt auf der Streif, vielleicht bleibe ich den Leuten damit in Erinnerung. Mein Trainer Much Mair hat mich umarmt und gesagt, so viel Spaß hat er noch nie gehabt, seit er im Weltcup dabei ist.

STANDARD: Ohne dieses Kunststück wären Sie wohl nicht Sechster, sondern Vierter geworden. Ist es nicht schade um die bessere Platzierung?
Ghedina: Vierter oder Sechster - was macht das schon, was ist der Unterschied? Selbst wenn ich einen Sieg knapp verspielt hätte, wär' mir das egal gewesen, ich hab' ja in Kitzbühel schon gewonnen, 1998. Und außerdem: Wer sagt, dass so eine Grätsche Zeit kostet? Vielleicht ist man mit Grätsche sogar schneller. Das ist mathematisch nicht messbar.

STANDARD: Kommt der Spaß im Weltcup insgesamt zu kurz?
Ghedina: Es ist schon ein bisschen fad geworden. Die Abfahrtsstrecken werden im Prinzip immer leichter, Kitzbühel ist eh noch eine Ausnahme. Und dann sind es so oft die Österreicher, die gewinnen, das tut dem Sport nicht gut. Das ist wie in der Formel 1, da gewinnt der Schumacher jahrelang alles, und das Interesse lässt nach.

STANDARD: In der Formel 1 hat man mit verschiedenen neuen Regeln wieder für mehr Spannung gesorgt. Was kann man im Skiweltcup tun? Ghedina: Keine Ahnung, ich weiß es nicht. Die Österreicher sind einfach so viele.

STANDARD: Sie lachen oft über das ganze Gesicht. Im Vergleich zu Ihnen wirken manche Österreicher stets sehr ernst. Fällt es den Österreichern schwerer, Gefühle zu zeigen?
Ghedina: Die Österreicher haben mehr Druck, die müssen voll bei der Sache sein, um überhaupt ins Team zu kommen. Sie werden in ihrem System groß, ich bin in keinem System groß geworden.

STANDARD: Sie sind 34, Ihre besten Resultate liegen Jahre zurück. Schaffen Sie es noch einmal ganz zurück zur Spitze?
Ghedina: Schauen Sie sich den Pauli Accola an, der erlebt mit fast 37 seinen x-ten Frühling. Aber im Ernst - zuletzt war ich oft verletzt, konnte ich nie ordentlich üben im Sommer. Und eigentlich werden Rennen im Sommer gewonnen.

STANDARD: 1991 sind Sie nach einem Autounfall tagelang im Koma gelegen. Die Ärzte sagten, Sie würden nie wieder Ski fahren können . . .
Ghedina: Diese Ärzte! Aber sie hätten fast Recht gehabt. Ich musste wie ein Kind wieder alles lernen, bin mit dem Fahrrad umgefallen, hab' beim Tennisspielen den Ball nicht getroffen. Erst nach vier Jahren hab' ich wieder gewonnen. Das hat man von einem Reifenplatzer mit 200 km/h.

STANDARD: Sind Sie jetzt langsamer unterwegs?
Ghedina: Vielleicht denke ich etwas mehr, aber ich gebe immer Gas. Ich kenne kein Risiko, hab' die Geschwindigkeit im Blut. Strafe zahle ich oft, einmal haben sie mir in Landeck ein paar Tausend Schilling abgenommen, 180 statt 80 hatte ich drauf. Die haben gesagt, uns Skifahrer kennen sie schon, vom Peter Müller hatten sie eine eigene Akte.

STANDARD: Wenn Sie weiterfahren, Ski, meine ich - was ist dann von Ihnen zu erwarten?
Ghedina: Wenn ich eine gute Vorbereitung hab', kann ich wieder gewinnen. Und wenn ich im Abfahrtsweltcup führe, dann mach' ich bei den Kamelbuckeln einen Salto.

ZUR PERSON: Kristian Ghedina, 34, stammt aus Cortina d'Ampezzo. Im Jänner 1988 fuhr er sein erstes Weltcuprennen. Er war WM-Zweiter in Kombination (1991) und Abfahrt (1996) sowie WM-Dritter in der Abfahrt (1997). Erster WC-Sieg 1990, zwölfter WC-Sieg 2000. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 26. Jänner 2004, Fritz Neumann)