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Ansichtssache
Helmut Newton:
1920 - 2004

Foto: Archiv

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Im Oktober 2003 hatte der Fotograf Helmut Newton seine weltberühmte Fotosammlung an seine Heimatstadt Berlin übergeben und sich damit auch einen persönlichen Traum erfüllt. Am Freitag starb er 83-jährig bei einem Autounfall in Hollywood.

Foto: APA/EPA/Olivier Laban-Mattei
Wien - Wo sonst bitte soll einer wie der ums Leben kommen? Es war doch so: Entweder von Andy Warhol siebgedruckt oder von Helmut Newton in Silbergelatine verewigt, sonst war man einfach keiner. Sicher, das hat schon etwas gekostet, aber immerhin mussten der Newton und seine Frau June - die man ja als Alice Springs kennen sollte - ziemlich lange warten, bis er mit seinen Modefotos endlich eine doppelte Revolution auslösen konnte.

Über 40 war er schon, als das dann endlich geklappt hat, die Vogue und die Elle seine Fotos druckten, und damit der Modefotografie erstens die Milde austrieben und zugleich Jetset, Fashion und Kunstwelt versöhnten. Mit Newton war so ein Foto aus der Fetischecke plötzlich salon- und also museumstauglich geworden.

Das 1920 in Berlin geborene Kind jüdischer Knopffabrikanten ist am vergangenen Freitag die steile Abfahrt vom Chateau Marmont zum Sunset Boulevard hinab zu Tode geschlittert. In einem Cadillac. Und wenn man jetzt die Gästeliste dieses einzig berühmten Schlosses außerhalb von Bordeaux mit jener von Newtons Auftraggebern vergleicht, wird man kaum einen Unterschied entdecken.

Hier wie dort Supermodels, Schauspieler, Prinzessinnen, Menschen, die Politik oder Geschichte gemacht haben, oder einfach nur reich waren. Im Chateau Marmont hat James Dean Natalie Wood getroffen. Errol Flynn stieg dort genauso ab wie Bob Dylan oder die Monroe. Jim Morrison hat sich dort, beim Versuch, über die Regenrinne vom Dach in sein Zimmer zu kommen, fast das Kreuz gebrochen. Alle Celebrities "were reportedly seen there".

Helmut Newton hat zwischen Helmut Berger und Margret Thatcher alles fotografiert, was Rang und Namen hatte, selbst Kurt Waldheim. Helmut Newton hat im Chateau Marmont, vermuten Freunde, nach einem Herzinfarkt die Kontrolle über seinen Wagen verloren. John Belushi ist dort im März '82 seinem Hang zu gefährlichen Suchtmitteln erlegen.

Helmut Newton hat die Macht ins Bild gesetzt. Und war die Macht nicht von sich aus prominent, dann war sie weiblich und groß und dominant. Und unerreichbar. Einen Pornografen hat man ihn darob gerufen. Einen Rassisten, einen Faschisten gar. Ein Feminist sei er gewesen, sagt er selbst, ein Bewunderer aus der Distanz, einer, der wusste, dass die Sache mit dem Gral jeden Reiz verliert, sobald der Kelch gefunden ist. Weswegen er auch seine June immer angerufen hat, bevor er nach Hause fuhr: "Ich wollte sie nie bei irgendetwas überraschen. Ich habe auch noch kein einziges Mal ihre Handtasche aufgemacht."

Stattdessen hat er Kitzel inszeniert, hoch brisante Plateauphasen. Ob das jetzt für Baumax war, oder den Playboy, oder die Vogue, war ihm absolut egal. Seine letzte Auftragsarbeit soll in der kommenden Märzausgabe der Vogue erscheinen. Sie soll ein Model zeigen, das goldnegligiert ein Bett aus Nägeln nutzt - eine alltägliche Verrichtung für Helmuts Big Nudes, denen kein Voyeur dieser Welt etwas anhaben kann.

"Ich inszeniere die Sexualität der Frauen", bemerkte Newton bei vielen Gelegenheiten, "ihr Verhalten im Alltag". Alice Schwarzer hat das immer bestritten. Hugh Hefner nie.

Sein Denkmal hat sich Helmut Newton noch selbst gebaut. Es heißt Sumo, ist 30 Kilogramm schwer und ein Bildband. 1999 konnte man es für gerade einmal 3000 Mark beim Verlag Benedikt Taschen erwerben. 430 Newtons sind darin versammelt, und also verwundert es kaum, dass Sumo der teuerste je produzierte Bildband war und immer noch ist. Eine Mezzie, wenn man bedenkt, dass ein eigener Buchständer inkludiert ist - ein Buchständer von Philippe Starck. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 1. 2004)