Der industrielle Konzentrationsprozess bei Siemens Österreich schreitet fort. Nach dem Rückzug aus der Kabelfertigung in den 90er-Jahren wurde die Wiener Elektronikfertigung, die in Wien-Erdberg hochgezogen wurde, jetzt im Floridsdorfer Werk Siemensstraße konzentriert. Mit Jahreswechsel sind rund 800 Mitarbeiter des Elektronikwerks Wien (EWW) von Erdberg in die Siemensstraße übersiedelt. 100 Mitarbeiter blieben auf der Strecke und wurden in einer Stiftung des Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungs-Fonds (WAFF) aufgefangen. Heute nachmittag wird die neue Elektronikfertigung unter dem neuen Namen SIMEA (Siemens Industrial Manufacturing, Engineering and Applications) offiziell eröffnet.

Kontinuität

Ursprünglich war gedacht, das EWW in das Schwesterwerk im burgenländischen Siegendorf zu übersiedeln, das Siemens in den letzten Jahren aufgebaut hat und wo 300 Mitarbeiter 4 Millionen Baugruppen im Jahr fertigen, sagte Generaldirektor Albert Hochleitner vor Journalisten. Man habe sich für den Verbleib in Wien aus Gründen der Kontinuität entschieden. Hochleitner schloss nicht aus, dass Siemens seine Aktivitäten in Erdberg komplett stilllegen und in die Siemensstraße übersiedeln wird, wo auch die Generaldirektion sitzt und mehr als ausreichend freie Flächen zur Verfügung stehen. Derzeit steht Siemens mit in- und ausländischen Interessenten wegen Erdberg in Verhandlung.

Erfolge

Hochleitner wies darauf hin, dass Siemens in Wien vor 10 Jahren an drei Fertigungsstandorten 1,5 Mrd. Schilling (109 Mio. Euro) umgesetzt hat und dass heute mit weniger als der halben Beschäftigtenzahl ein Produktionsumsatz von 200 Mio. Euro erzielt wird, zuzüglich 60 Mio. Euro im Schwesterwerk Siegendorf. Dass der seit zehn Jahren währende Kampf um den Erhalt des Fertigungsstandortes Wien bisher erfolgreich war, führt Hochleitner auf eine kontinuierliche Produktivitätssteigerung um 8 Prozent im Jahr zurück, die in der Elektronikfertigung, wo die Preise im Jahresdurchschnitt um 3 Prozent nachgeben, unabdingbar sei. "Eine Produktion ist in einem Hochlohnland sehr schwierig darzustellen", sagte Hochleitner. Bisher sei das durch den Verbund von Entwicklung und Fertigung, fortschreitende Automatisierung und höchste Flexibilität aber gelungen. Ein wesentlicher Vorteil für die Wiener Fertigung, die eine Exportquote von 90 Prozent aufweist und die Hälfte ihrer Produkte außerhalb der Siemens-Welt absetzt, sei auch die Nutzung der Einkaufsplattform des Siemens-Konzerns.

Druck aus Osteuropa

Dennoch werde der Druck aus Osteuropa ständig größer. "Damit ist der Druck der Globalisierung in unsere unmittelbare Nachbarschaft gerückt", sagte Hochleitner. Die Körperschaftssteuersenkung mit der Steuerreform 2005 nannte der Siemens-Chef einen "absolut richtigen Schritt", doch seien auch die Lohnnebenkosten "ein entscheidendes Thema, wo aus unserer Sicht etwas notwendig ist", neben Ausbildung, Forschung und Entwicklung sowie Infrastruktur. Für den Standort Siemensstraße wünscht sich Hochleitner insbesondere auch bessere Verkehrsanbindungen.

Vier Bereiche

Das Wiener Werk konzentriert sich auf vier Produktbereiche: Industrieelektronik, Telekommunikation, Haushaltselektronik und Verkehrstechnik. Zu letzterer gehören Komponenten für das deutsche Lkw-Mautsystem: Mikrowellensysteme für die Erfassung von Mautsündern (enforcement), die SIMEA an den österreichischen Systemlieferanten Efkon und an die Siemens-Tochter VDO liefert. Von der Verzögerung der deutschen Lkw-Maut ist die Wiener Fertigung dank ihrer Flexibilität nicht betroffen, sagte SIMEA-Chef Arnulf Wolfram. Mit je 50 Leiharbeiter in Wien und in Siegendorf werden Schwankungen ausbalanciert, die Mitarbeiterzahl soll insgesamt gehalten werden. Für das Geschäftsjahr 2006 peilt Wolfram eine Umsatzsteigerung auf 290 bis 300 Mio. Euro an. (APA)