Alles wäre einfacher, könnten Frankreichs MuslimInnen auch im täglichen Leben auf die Republik und ihre hohen Werte zählen. Alles an dem geplanten Kopftuchverbot in Frankreichs öffentlichen Schulen wäre leichter hinzunehmen, gälte das Prinzip der Gleichheit und der Gewissensfreiheit, auf dem die Trennung von Kirche und Staat seit dem historischen Republikgesetz von 1905 gründet, auch im Berufsleben, beim Behördengang, beim Aufstieg im BeamtInnenapparat, beim Eintritt in die Elitehochschulen, bei der Anmietung von Wohnungen, beim täglichen Einkauf in der Stadt.

Flankierende Maßnahmen

Nicht umsonst hat die ExpertInnenkommission, die Staatspräsident Chirac einberufen und die schließlich den Erlass eines strikteren Gesetzes zur Wahrung der Neutralität des Staates in Religionsfragen empfohlen hatte, auch zu flankierenden Maßnahmen geraten: die Aufwertung muslimischer (aber auch jüdischer) Feiertage zu nationalen Feiertagen, explizite Regeln im Arbeitsrecht zum Tragen religiöser Zeichen, der Abriss der Gettostädte. Frankreich sucht nicht die Diskriminierung von NichtchristInnen, sollte die Botschaft lauten. Gleichwohl wird das Parlament nun allein über ein Gesetz zum Verbot "auffallender" religiöser Zeichen in öffentlichen Schulen abstimmen.

Der neu entfachte Eifer, ein Kopftuch zu tragen, hat in Frankreich, dem EU-Staat mit der größten MuslimInnengemeinschaft, zu ebenso absurden wie unannehmbaren Situationen geführt: Städtische Bedienstete weigern sich plötzlich, Männern die Hand zu geben; SchuldirektorInnen beschäftigen sich mit der Frage, ob es akzeptabler ist, Schülerinnen mit einer Skimütze im Unterricht sitzen zu lassen anstatt mit einem Kopftuch und wie tief diese dann ins Gesicht gezogen werden darf. Frankreichs Regierung kann die äußerlichen Zeichen des Islam aus Staatseinrichtungen verbannen - um Maßnahmen gegen den allgegenwärtigen Rassismus kommt sie nicht herum. (Markus Bernath, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 19.1.2004)