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Außenministerin Benita Ferrero-Waldner will als Bundespräsidentin "herunterkommen" und "selbstverständlich sein": "Down to earth", wie sie zu Michael Völker sagt.

foto: apa/hopimedia/holzner
Standard: Sie haben viel Kritik dafür einstecken müssen, dass Sie sich schon vor dem VP-Parteivorstand als Kandidatin geoutet haben. Warum sind Sie vorgeprescht?

Ferrero: Ich bin nicht vorgeprescht. Es war eine Gruppe von parteiunabhängigen Österreichern, die sich zu einem Komitee zusammengetan haben und zu mir gekommen sind, um mich zu fragen, ob ich zur Verfügung stehe. Ich fand es korrekt und richtig zu sagen, ich stehe zur Verfügung. Am Donnerstag hat es dann einen einstimmigen Parteibeschluss der ÖVP gegeben. Der hat gezeigt, dass die volle Partei hinter mir steht.

Standard: Wie sehen Sie die Rolle des Staatsoberhauptes? Soll er sich in die Tagespolitik einmischen oder sich auf das Repräsentieren beschränken?

Ferrero: Selbstverständlich will ich eine aktive Bundespräsidentin sein. Der Bundespräsident, der ja nicht dem Parlament gegenüber verantwortlich ist, soll sich nicht in die Tagespolitik einmischen. Er soll über der Tagespolitik stehen. Ich komme aus der Außenpolitik, ich habe enorm viele Kontakte. Ich kenne wirklich die Entscheidungsträger in der ganzen Welt. Ich will das ganz besonders für Österreich einbringen. Sowohl was die Politik betrifft, als auch für die Wirtschaft. Ich weiß, wie wichtig es für Unternehmen ist, einen hohen Befürworter zu haben. Das werde ich sehr sehr gerne sein. Gleichzeitig möchte ich auch für das Inland vor allem eine Präsidentin sein, die volksverbunden ist, die mit dem Volk kann. Daher möchte ich auch die Türen der Hofburg öffnen. Ich will möglichst ohne Zeremoniell die Dinge sehr einfach tun.

Standard: Wie soll das in der Praxis aussehen? Einen Tag der offenen Tür in der Hofburg? Audienzen für einfache Bürger?

Ferrero: Das Wort Audienzen ist sicher nicht mehr zeitgemäß. Die Menschen sollen an mich herantreten können, wenn sie Sorgen haben. Ich denke vor allem an ältere Menschen, viele, die sozial am Rande stehen. Ich denke auch an Behinderte. Hier sollte eine Schirmherrin da sein.

Standard: In den vergangenen Jahren schien es eine Art Wettrennen zwischen Ihnen und dem Bundespräsidenten bei Auslandsreisen gegeben zu haben. Wie sollen Sie es mit den Auslandsbesuchen halten?

Ferrero: Ich möchte die Staatsbesuche stark reduzieren, mehr Arbeitsbesuche machen.

Standard: Und weniger Paraden abschreiten?

Ferrero: Weniger das große Zeremoniell, mehr "down to earth". Herunterkommen. Selbstverständlich sein.

Standard: Glauben Sie, dass Sie zu einem Bundeskanzler Schüssel tatsächlich die gleiche Distanz halten könnten wie zu einem Kanzler Gusenbauer?

Ferrero: Anders als mein Mitbewerber habe ich nie eine Parteifunktion gehabt. Ich bin als Fachfrau in die Regierung gekommen, direkt herübergeshootet aus New York. Natürlich habe ich meine Gesinnung, natürlich bin ich in die ÖVP gekommen, und natürlich habe ich ein gutes Verhältnis mit dem Bundeskanzler. Um auf Ihre Frage zu antworten: selbstverständlich. Es ist ein völlig anderes Amt, und es ist ein völlig anderes Amtsverständnis. Ich habe noch jedes meiner Ämter ganz unterschiedlich ausgeführt.

Standard: Sollen die Kompetenzen des Bundespräsidenten reduziert werden? Immerhin kann der Bundespräsident ohne Angabe von Gründen die Regierung entlassen.

Ferrero: Der Bundespräsidenten ist vom Volk gewählt. Daher soll nicht viel geändert werden. Man könnte darüber nachdenken, ob der Bundespräsident wirklich den gewählten Nationalrat oder die Landtage auflösen können soll. Dazu gibt es den Österreich-Konvent.

Standard: Wie halten Sie es mit der Dienstvilla? Würden Sie auf der Hohen Warte einziehen?

Ferrero: Sollte sich das Amt für mich ergeben, brauche ich auf keinen Fall eine Dienstvilla. Weder die Hohe Warte noch die Sommerresidenz in Mürzsteg. Die Hofburg ist das Büro, für den Rest bin auch ich eine Privatperson.

Standard: Es gibt in der SPÖ Stimmen, die die Präsidentenwahl zu einer Abstimmung über die Neutralität machen wollen.

Ferrero: Ich glaube nicht, dass das gelingen wird. Die Neutralität wird in keiner Weise abgeschafft. Österreich ist immer gut gefahren mit der Neutralität, eine Abschaffung steht nicht zur Diskussion. In der rot-schwarzen Koalition haben wir 1998 eine Modifizierung der Neutralität vorgenommen, wonach friedenserhaltende und friedensschaffende Aufgaben für Österreich gestattet sind. Das soll heißen: Solidarität innerhalb Europas und außerhalb Europas natürlich Neutralität.

Standard: Sie haben sich aber auch schon für einen Nato-Beitritt Österreichs ausgesprochen.

Ferrero: Die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik hat uns hier eine echte Alternative geboten, die wir vorher nicht hatten. Die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher ist natürlich das Wichtigste.

Standard: Sollte Österreich bei einem Kerneuropa dabei sein, wenn es zu keiner gemeinsamen Verfassung kommt?

Ferrero: Wir sollten zuerst alles tun, um wirklich ein gemeinsames Europa zustande zu bringen.

Standard: Gesetzt den Fall, es gibt aber keine gemeinsame Verfassung: Sollte Österreich dann in einem Kerneuropa dabei sein?

Ferrero: Grundsätzlich ja, aber so weit sind wir noch nicht, und niemand hat dieses Kerneuropa definiert. Da muss man sich fragen, was das überhaupt heißt. Das weiß ja noch niemand.

Standard: Sie wurden bei der Angelobung vom Bundespräsident zweimal als Benito angesprochen. Ärgert Sie das?

Ferrero: Das passiert mir immer wieder, auch draußen. Offenbar ist die Kombination Benita und Ferrero für einen deutschsprachigen Menschen, der nicht Spanisch spricht, schwierig. Das stört mich aber nicht sehr. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17./18.1.2004)