Karikatur: Jean Veenenbos, austrianillustration.com

Karikatur: Veenenbos

Es ist verständlich, dass sich der Justizminister wehrt - der Druck auf die österreichischen Gefängnisse nimmt zu. Einerseits wollen die Staatsbürger, dass ihre Sicherheit garantiert wird. Andererseits wird das Geld knapper. Und die lieb gewordene Gewohnheit, soziale und gesellschaftliche Probleme (wachsende Armut, Drogenmissbrauch ...) in den Bereich des Strafrechts abzuschieben, erleichtert ihm das Leben auch nicht. Da wundert es nicht, wenn im Diskurs dann "Fluchtversuche" angeregt werden wie jener, ein Gefängnis in Rumänien zu bauen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will Rumänien keineswegs in ein negatives Licht tauchen, sondern auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam machen: Gefängnisse sind immer ein Spiegel der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse. Folglich gibt es keine gut funktionierenden Gefängnisse in einer Umgebung, die geprägt ist von Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, Korruption, fehlendem Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen etc. Der UNO-Index zur menschlichen Entwicklung 2002 positioniert Rumänien auf Platz 63 - als eines der Schlusslichter in Europa.

Ein kurzer Blick auf Berichte unabhängiger Nichtregierungsorganisationen (z. B. des rumänischen Helsinki Komitees oder von Amnesty International) bestätigt, dass Rumänien mit erheblichen politischen und institutionellen Problemen kämpft. Und über die in den Gefängnissen klärt sogar die zuständige Verwaltungsstelle selbst auf: Auf deren Website (www.anp.ro) findet sich ein offizieller Beitrag von Mitte 2003, wo es heißt: "Trotz aller Bemühungen ist das Gefängnissystem mit ernsthaften Schwierigkeiten konfrontiert" - als da sind: Überlastung aller Gefangenenhäuser, (6.000 Häftlinge haben noch immer kein eigenes Bett); steigende Zahl von Wiederholungstätern und Gewaltverbrechern; ungenügende sicherheitstechnische Ausrüstung; Personalmangel und Haftbedingungen, die "den europäischen Standards nicht genügen".

Vor diesem Hintergrund drängen sich angesichts der Ideen des Justizministers doch einige Fragen auf: Würde das von Österreich errichtete Gefängnis dem rumänischen "Standard" entsprechen, oder gäbe es bessere Haftbedingungen als in anderen rumänischen Gefängnissen? Mir fällt es jedenfalls schwer zu glauben, man könne in einer Umgebung, wo Rechtsstaatlichkeit wenig gilt, eine "Gefängnisinsel" errichten, die die Menschenrechte der Insassen respektiert und nicht korruptionsanfällig ist.

Weiters ist unklar, wie weit sich Österreich in die Angelegenheiten der rumänischen Gefängnisverwaltung einmischen würde (Wann darf ein Häftling freigelassen werden? Wie steht es mit Begnadigungen? etc.) Noch komplizierter wird alles, wenn - wie von Justizminister Böhmdorfer vergangene Woche im STANDARD angekündigt - auch die Abwicklung von Gerichtsprozessen nach Rumänien verlagert würde. Unklar ist, wie Österreich kontrollieren könnte, ob die Prozesse "nach Wunsch" entschieden werden. Hieße "in Fällen mit eindeutiger Beweislage", dass der Prozessausgang bereits am Anfang feststeht? Wie soll sichergestellt werden, dass die Gerichtsverfahren fair und internationalen Standards gemäß ablaufen?

Viele Fragen bleiben also offen, bevor die Idee der Gefängnis"abschiebung" ernsthaft in Erwägung gezogen werden kann. Wirklich kreatives Nachdenken müsste wohl eher darauf abzielen, Rumänien zu helfen, das gesamte Gefängnissystem nach neuen Gesichtspunkten zu ordnen und zu reformieren. Solche Bestrebungen sind auch schon im Gange: Laut o. g. Website gibt es "Gefängniszwillingsprojekte" in Kooperation mit Spanien und den Niederlanden; von Österreich ist dabei allerdings nicht die Rede . . .

Ähnliches gilt für die Gerichte: Die Reform von Institutionen erfordert langfristige Partnerschaften und Geduld. Noch kreativer wäre es allerdings, eine breite Debatte über den Umgang mit Drogendelikten anzuregen, denn die bisherige Politik (Stichwort Verstrafrechtlichung) hat nicht viel Positives gebracht - im Gegenteil: Laut Minister sitzt ja die Mehrheit der Ausländer gerade deswegen (noch?) hinter österreichischen Gardinen. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2004)