Wien/Kapstadt - "Das ist, als würde der Hermann Maier aufhören. Nur dass im Skiverband sofort wer da wäre, der in die Bresche springt", sagte Johann Gloggnitzer, Präsident des Leichtathletikverbands (ÖLV), gestern zum Rücktritt von Stephanie Graf. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in den nächsten Jahren kleinere Brötchen backen. Die österreichische Leichtathletik ist zuletzt an Graf gemessen worden. Medaillen haben zum guten Ton gehört."

"Wir müssen es akzeptieren, so sehr es auch schmerzt"

Gloggnitzer hatte noch vor Grafs Abreise nach Südafrika mit ihr gesprochen und "keinerlei Anzeichen" bemerkt. "Eine Athletin dieses Kalibers wird sich alles reiflich überlegt haben. Wir müssen es akzeptieren, so sehr es auch schmerzt." ÖLV-Sportkoordinator Hannes Gruber pflichtet bei: "Die Graf Stephanie war die Einzige, die zur absoluten Weltklasse gezählt hat." Gruber zeigte sich von der Plötzlichkeit des Rücktritts, nicht vom Rücktritt an sich überrascht. "Der mögliche Rücktritt war seit ein, zwei Jahren ein Thema." Die private Situation der Kärntnerin, die mit dem Golfprofi Niki Zitny liiert ist, habe mit Sicherheit eine Rolle gespielt im Grafschen Beschluss. Gruber: "Ihre Mama Rita ist Kindergärtnerin, sie hat immer schon davon geredet, dass sie einmal ein Kind haben will."

Der Verband ist seines Aushängeschilds verlustig gegangen, das Aushängeschild hat alles überstrahlt und viel verdeckt. Präsident Gloggnitzer bleibt bei seinem Vergleich mit dem Skiverband. "Die Förderungsstrukturen in der Leichtathletik sind nicht so breit gestreut. Es ist sehr viel dem Zufall und Einzelinitiativen überlassen."

Wachablöse

Die Wachablöse in der heimischen Leichtathletik ist unübersehbar. Aus dem 15-köpfigen Olympia-Kader für Athen sind mit Graf und dem Speerwerfer Gregor Högler innerhalb von zwei Tagen zwei Athleten zurückgetreten. Hinter dem Hürdensprinter Elmar Lichtenegger, gegen den ein Dopingverfahren läuft, steht ein großes Fragezeichen. Marathon-Rekordlerin Dagmar Rabensteiner hat mit einem Rekord (2:34:35 Stunden) am 28. September 2003 in Berlin ihre Karriere beendet.

So rasch wird niemand an Grafs Stelle treten oder laufen oder springen können, hervortun könnten sich wohl am ehesten Karin Mayr-Krifka (100 m, 200 m), Susanne Pumper (5000 m), Günther Weidlinger (5000 m) oder Martin Pröll (3000-m-Hindernis). "Wir werden", sagt Sportkoordinator Gruber, "wieder froh sein über Finalplätze."

Auch Gruber vergleicht die Leichtathletik mit anderen Sportarten, wenn auch nicht dezidiert mit dem Skifahren. "Die Leichtathletik ist eine der ganz wenigen weltumspannenden Sportarten. Da darf man nicht so viel erwarten wie in anderen Bereichen." Von Verbandsseite aus sei es "natürlich vorstellbar", Graf in Zukunft einzubinden, in welcher Form auch immer. "Sie ist unser Zugpferd", sagt Gruber. Am 21. Februar werden Österreichs Leichtathleten des Jahres 2003 geehrt, bis dahin dürfte Graf aus dem Ur-laub zurück sein. (DER STANDARD, Printausgabe, 16. Jänner 2004, fri, APA)