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Stockholm - "Ein pervers wirkender Angriff": So schilderte eine Freundin der ermordeten schwedischen Außenministerin Anna Lindh am Donnerstag, dem zweiten Tag des Prozesses gegen Mijailo Mijailovic (25), in Stockholm das Verbrechen. Eine frühere Lindh-Mitarbeiterin, die die Ministerin ins Stockholmer Kaufhaus begleitet hatte, sagte, der Täter sei "mit fürchterlicher Aggressivität" vorgegangen. Lindh erlitt sieben bis acht Stiche, einer durchtrennte einen Knochen. Mijailovic verweigerte jede Aussage, nachdem er am Vortag den Angriff gestanden, aber jede Tötungsabsicht bestritten hatte.

Foto: REUTERS/Melitta Wellner

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Angesichts des vorliegenden Geständnisses des 25-jährigen Angeklagten Mijailo Mijailovic sowie einer erdrückenden Beweislage gilt die Frage nach dem Tatmotiv als die zentrale in der für drei Tage anberaumten Verhandlung: Unter umfassenden Sicherheitsvorkehrungen hat am Mittwoch in Stockholm der Prozess im Mordfall Anna Lindh begonnen.

Der Angeklagte bestreitet eine vorsätzliche Tat. Die Staatsanwaltschaft hingegen wirft ihm Mord vor; das Attentat auf die 46-jährige schwedische Außenministerin und Mutter zweier Kinder sei planmäßig erfolgt.

Foto: REUTERS/Police Handout

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Zu Beginn des Prozesses erklärte Mijailovic' Anwalt Peter Althin (rechts in der Zeichnung) erneut, sein Klient habe Lindh zwar erstochen, die Tat aber nicht geplant. "Er wollte sie nicht töten", betonte Althin. Mijailovic habe keinen persönlichen Groll gegen Lindh gehegt; von einem politischen Motiv könne keine Rede sein.

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Die Staatsanwaltschaft bekräftigte hingegen die Überzeugung, bei der Messerattacke vom 10. September habe es sich um Mord gehandelt. Sie werde beweisen, dass der Angeklagte Lindh habe töten wollen, sagte Staatsanwältin Agneta Blidberg. Mijailovic habe den Mord etwa 15 Minuten lang geplant, nachdem er die ohne Leibwächter einkaufende Ministerin im Stockholmer Kaufhaus NK verfolgt habe. Nach Aussagen von Bekannten des Angeklagten soll der Sohn serbischer Einwanderer vor der Tat mehrfach hasserfüllt über Lindh gesprochen haben. Die schwedische Außenministerin hatte seinerzeit die Militärangriffe auf Jugoslawien gutgeheißen.

Foto: Reuters/STR

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Attacke aus Zufall Mijailovic betonte vor Gericht erneut, es habe sich um eine spontane Tat gehandelt; eine "innere Stimme" habe ihm befohlen, zur Attacke zu gehen. An den Überfall selbst erinnere er sich nicht: "Das Ganze dauerte nur ein paar Sekunden." Er habe die zehn Messerstiche nicht gezielt ausgeführt; die Einstichstellen seien "Zufall" gewesen.

Mehrfach verwies der Angeklagte auf seinen angespannten psychischen Zustand zum Tatzeitpunkt. Kurz zuvor habe er um psychiatrische Hilfe gebeten, sei jedoch abgewiesen worden. Seine Verfassung am 10. September beschrieb er als "verzweifelt". Mijailovic machte am ersten Prozesstag einen gefassten, aber niedergedrückten Eindruck. Mehrfach, so bei der Schilderung des Leidens der Kinder Lindhs, wirkte er den Tränen nahe.

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Detailliert beschrieb die Staatsanwältin die technischen Beweise gegen Mijailovic. (im Bild: Anna Lindh)Als eines der wichtigsten Beweismittel gilt die Mordwaffe, auf der DNA-Spuren des Angeklagten und der Ermordeten enthalten sind. Laut Expertenangaben liegen die Chancen, dass die DNA-Spuren nicht von Mijailovic stammen, bei 1 zu 16 Millionen. In Übereinstimmung mit dem schwedischen so genannten Öffentlichkeitsprinzip war die Anklageschrift vor Prozessbeginn der Allgemeinheit zugänglich gewesen.

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Angesichts des großen Interesses - so hatten zahlreiche Menschen die Nacht über vor dem Gericht angestanden, um Zugang zu einem der wenigen Zuschauerplätze zu erhalten - wurde die Verhandlung zudem im schwedischen Rundfunk sowie ohne Bild im Fernsehen live übertragen. Auf Bitte des Angeklagten wurde seine Aussage jedoch von der Übertragung ausgenommen.

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Der letzte Verhandlungstag ist für den kommenden Montag anberaumt. Die Verteidigung hat angekündigt, zum Ende des Prozesses hin einen Antrag auf eine gerichtspsychiatrische Untersuchung Mijailovic' zu stellen. (dpa, AFP, DER STANDARD Printausgabe 16.1.2004)

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