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Feminismus und Frauenbewegung allerorts in der Sackgasse? Dafür ein Aufblühen der alten Geschlechterrollen?
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Bern - Der Ausgang der Wahlen für die neue Schweizer Landesregierung im Dezember hat bei vielen Frauen nicht nur Wut ausgelöst, sondern auch Hoffnungen auf eine Stärkung der Frauenbewegung geweckt. Die 87-jährige Feministin Marthe Gosteli zeigt sich jedoch skeptisch.

Glaube an neue Frauenbewegung

Gegen 15.000 Personen nahmen nach den Wahlen, bei denen Justizministerin Ruth Metzler im Parlament nicht genug Stimmen für einen Wiedereinzug in die Regierung bekam, an einer Frauendemonstration in Bern teil. "Wir lassen uns nicht wegBLOCHERn und auch nicht ausMERZen", war auf Transparenten zu lesen - die Demonstrierenden spielten damit auf die neuen Regierungsmitglieder Christoph Blocher und Hans-Rudolf Merz an.

Auch einen Monat später wird allenthalben der neue Kampfgeist beschworen. Das Thema ist in Mode: Der Arbeitgeberverband lädt zu einer Veranstaltung mit dem Thema "Frau und Karriere", der "SonntagsBlick" sammelt Unterschriften für ein "Manifest der Frauen". Es umfasst sieben Forderungen, darunter "mehr Frauen in die Politik" und "gleicher Lohn für gleiche Arbeit".

Nathalie Imboden, verantwortlich für Frauenfragen beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), glaubt indes nicht, dass die "neue Frauenbewegung" nur herbeigeredet wird. Die Frauen engagierten sich wieder mehr, stellt sie im Gespräch mit der schweizerischen Nachrichtenagentur sda fest: "Es tut sich was an der Basis".

Marthe Gosteli sehr skeptisch

Marthe Gosteli, welche die Frauenbewegung im vergangenen Jahrhundert miterlebt und mitgeprägt hat, ist weniger zuversichtlich. Der Frauenbewegung fehle es seit geraumer Zeit an Strategien, kritisiert die Präsidentin des Archivs zur Geschichte der Schweizerischen Frauenbewegung.

Demonstrieren alleine genüge nicht. Um längerfristig etwas zu erreichen, müsse an anderen Orten angesetzt werden, etwa bei der Erziehung und Bildung. Im Geschichtsunterricht würden die Frauen nach wie vor ausgeklammert. "Die jungen Frauen wissen nichts von der alten Frauenbewegung", bedauert sie.

Forderungen, wie sie im Manifest des "SonntagsBlicks" gestellt werden, bezeichnet die 87-Jährige als "kalten Kaffee". Es handle sich um exakt dieselben Forderungen, die 1948 gestellt worden seien. Ohne Umsetzungsstrategie nütze das Fordern nichts.

Feminismus heute negativ ausgelegt

Gosteli, die in den 50-er Jahren für das Frauenstimmrecht gekämpft hat, spricht nicht nur von Stagnation, sondern auch von Rückschritten. Ein Zeichen dafür sei, dass der Begriff "Feminismus" heute negativ konnotiert sei. Dabei bedeute er nichts anderes als "die Einbringung der weiblichen Sicht in allen Lebensbereichen".

Die Frauenbewegung hat laut Gosteli den Kontakt zur Basis verloren. Schuld daran seien radikale Vertreterinnen. Im Gegensatz zu früher funktioniere die Zusammenarbeit zwischen linken und rechten Frauen nicht mehr. (APA)