Brüssel/Straßburg - "Gegenseitige Anerkennung" heißt das Prinzip, mit dem der Europäische Gerichtshof schon seit rund zwei Jahrzehnten Dienstleistern von Fall zu Fall den Weg freimacht, die in einem anderen EU-Staat auf Genehmigungshürden stoßen. Die EU-Kommission möchte den Erleichterungen für grenzüberschreitende Serviceunternehmen nun zuverlässiger Geltung verschaffen und sie dazu in Gesetzesform gießen. Am Dienstag legte sie in Straßburg den entsprechenden Richtlinienvorschlag vor, der bereits für Dezember geplant war. Ein freier EU-Servicemarkt rückt damit näher.

In der zuständigen Abteilung von EU-Kommissar Frits Bolkestein wurde die Neuerung bereits als zweiter großer Wurf nach der Vollendung des EU-Binnenmarkts für Waren 1993 angekündigt. Mit den Vereinfachungen für Dienstleistungen würde noch einmal rund die Hälfte der europäischen Wirtschaft von nationalen Begrenzungen befreit.

Hindernisse

Bisher stoßen Unternehmer und Freiberufler, die ihre Dienste im Ausland anbieten wollen, immer wieder auf Hindernisse: Mal wird eine Genehmigung verlangt, die in der Heimat bereits vorliegt, mal ein Diplom, das daheim längst erworben ist, mal ein zusätzlicher Firmensitz oder gar nur ein einziger im Zielland der neuen Aktivitäten.

Für Teilbereiche wie Telekom, Verkehr, Finanzdienste oder auch Rechtsanwälte hatte die EU schon für Erleichterungen gesorgt. Die neue Richtlinie soll nun aber alle Dienstleistungen erfassen.

Vereinfachung beim Verfahren

Neben der gegenseitigen Anerkennung von Standards, die der jeweilige Heimatstaat eines Dienstleisters bereits auf diesen angewandt hat, strebt die EU-Kommission vor allem Vereinfachungen beim Verfahren an. So soll ein Serviceanbieter sich ab 2008 nur mehr mit einer einzigen Behörde im Gastland herumschlagen müssen ("one stop shop"). Käme dies durch EU-Ministerrat und Parlament, die dem Kommissionsvorschlag zustimmen müssen, brächte das auf indirektem Weg auch Vorteile für heimische Firmen, denen solche Vereinfachungen von ihren eigenen Verwaltungen kaum verwehrt werden könnten.

Für Debatten im Parlament sorgen dürfte allerdings die ursprüngliche Idee Bolkesteins, generell das Herkunftslandsprinzip einzuführen. Danach unterläge ein Dienstleister auch im Ausland in jedem Fall den Unternehmensregeln, die in seiner Heimat gelten. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2004, jwo)