Wien – Eine „Täuschung der Bürger“ wirft SP-Budgetsprecher Christoph Matznetter Finanzminister Karl-Heinz Grasser vor. Dieser habe bei der Darstellung der Entlastungswirkungen der Steuerreform 2005 als Vergleichsbasis das Jahr 2003 herangezogen und damit de facto die bereits in Kraft getretene erste Steuerreform- Etappe 2004 „nochmals mitverkauft“.

Vergleiche man die Entlastungswirkung aber mit der bereits gültigen Rechtslage 2004, kämen bei zu versteuernden Einkommen zwischen 10.000 Euro und 21.000 Euro erheblich geringere Entlastungen heraus. Die größte Differenz ergibt sich bei einem Einkommen von 10.000 Euro. Laut Grassers Darstellung erspart man sich hier jährlich 586,30 Euro, laut Matznetter bleiben im Vergleich zu heuer jedoch nur 109,60 Euro mehr in der Brieftasche. Die Differenz macht immerhin 476,70 Euro aus, bei einem Einkommen von 21.000 ist die Differenz 20,58 Euro.

Im Finanzministerium bestätigte man prinzipiell die Richtigkeit der Rechnung Matznetters, verwehrt sich jedoch gegen die Darstellungsweise des SP-Mandatars. Grasser sagte: „Ein völliger Unsinn, denn hier wurde die erste Etappe der Steuerreform, ein Vorziehen, das speziell die kleinen Einkommensschichten entlasten sollte, gänzlich außer Acht gelassen.“

Keine Rede von 50:50

Auch Arbeiterkammer und ÖGB lassen an der Steuerreform weiterhin kein gutes Haar. Im untersten Einkommensbereich gebe es überhaupt keine Entlastung, und im Bereich mittlerer Verdiener falle die Steuersenkung besonders bescheiden aus. Sie sinke unter 20 Euro im Monat bei Arbeitnehmern, die zwischen 1900 Euro und 2300 Euro brutto im Monat verdienen oder bei Pensionen zwischen 1600 Euro und 2000 Euro. Zusammen seien dies 640.000 Steuerpflichtige. Unterm Strich könne insbesondere von der 50:50-Aufteilung zwischen Arbeitnehmern und Wirtschaft keine Rede sein.

Rechne man die beiden Steuerreform-Etappen 2004 und 2005 wie Grasser zusammen, würden Unternehmen um 2,015 Mrd. Euro entlastet, die Arbeitnehmer jedoch nur um 975 Mio. Euro. AK-Präsident Herbert Tumpel und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch fordern zwei Milliarden für die Arbeitnehmer und eine Beseitigung der „Ungerechtigkeit“, dass nur Alleinverdiener von den höheren Kinderzuschläge profitieren würden. Gegebenenfalls werde man dazu die Höchstgerichte anrufen.

Wirtschaftsvertreter wie der Papierindustrielle Veit Sorger (Frantschach) lobten am Dienstag erneut die Senkung der Körperschaftssteuer. Kritisch merkte Sorger an, dass die Lohnnebenkosten nach wie vor zu hoch sind und der Spitzensteuersatz in Österreich auf 40 Prozent gesenkt werden müsste. (DER STANDARD, Printausgabe, 14. 1. 2003, miba)