Wien - Wien könnte sich als eine der Drehscheiben im Parmalat-Skandal herausstellen: "Es scheint so, als wäre Wien tatsächlich eine Drehscheibe im Parmalat-Fall gewesen," zitiert die Tageszeitung "Die Presse" in ihrer Dienstagausgabe den Leiter der Wirtschaftsgruppe der Staatsanwaltschaft Wien, Erich Müller. Müller habe bereits vor einigen Tagen Vorerhebungen eingeleitet. "Wir haben jetzt einmal die gesamten Buchhaltungsunterlagen von Parmalat Austria angefordert," erklärte Müller.

Der Grund für die Ermittlungen der Justiz in Wien seien auffällige Transaktionen über den Wiener Parmalat-Ableger, der auch 25,1 Prozent am österreichischen Molkereikonzern NÖM hält. So ist die Parmalat Austria GmbH mit Sitz in der Wipplingerstraße unter anderem in Wien hundertprozentiger Eigentümer der Curcastle Corporation auf den niederländischen Antillen und damit Muttergesellschaft von rund 30 Parmalat-Auslandsfirmen.

Scheingeschäfte

In diesem Netzwerk wurden, so laut "Presse" der Verdacht der italienischen Behörden, seit mehr als zehn Jahren jene Scheingeschäfte abgewickelt und verbucht, die nun zum Platzen des Finanzskandals geführt haben.

Über mehrere zwischengeschaltete Firmen in Luxemburg, Malta und der Isle of Man ist Parmalat Austria den Angaben zufolge auch Gesellschafter der Bonlat Financing Corporation in Georgetown auf den Cayman Islands. Bonlat war jene Parmalat-Tochter, die über ein angebliches Vier-Milliarden-Euro-Guthaben bei der Bank of America verfügte. Auslöser des Finanzskandals war letztlich die Mitteilung der Bank of America, dass ein solches Konto nicht existiere.

Die Curcastle Corporation, die Parmalat Austria zur Gänze gehört, und deren 100-Prozent Tochter Zipa, ebenfalls mit Sitz in Curacao auf den niederländischen Antillen, sollen laut Erkenntnissen der italienischen Fahnder zentrale Drehscheiben im Parmalat-Skandal sein.

Wie berichtet wird der aktuelle Schuldenstand von Parmalat auf 13 Mrd. Euro geschätzt, wobei rund 120 Mio. Euro davon auf 16 österreichische Banken entfallen sollen. Laut Nachrichtenmagazin "profil" ist die Raiffeisen Zentralbank (RZB) mit rund 70 Mio. Euro größter Kreditgeber für Parmalat, weitere 25 Mio. Euro sollen auf drei Raiffeisen-Landesbanken entfallen. Die Erste Bank soll laut Bericht Kredite in Höhe von 9 Mio. Euro bei Parmalat ausständig haben.

Weiters interessiert die Staatsanwaltschaft noch die Beteiligungen der Parmalat Austria an zwei Unternehmen in Südafrika. Diese wurden 2001 von der italienischen Parmalat-Finanzholding der österreichischen Tochter verkauft, um Probleme mit Wirtschaftsprüfern der Finanzholding, die sich an den überhöhten Wertansätzen für die südafrikanischen Beteiligungen gestoßen hatten, zu vermeiden, heißt es im Bericht der Tageszeitung. Den Kaufpreis von 179 Mill. Euro sei Parmalat Austria der italienischen Parmalat schuldig geblieben.

Diese Verbindlichkeiten von Parmalat Austria gegenüber der Konzernzentrale zählen laut "Presse" zu jenen 4,2 Mrd. Euro Aktiva, mit deren Existenz Parmalat-Sonderkommissar Enrico Bondi gerechnet hatte, die aber nun ebenfalls nicht vorhanden sein sollen. (APA)