Finanzminister Karl-Heinz Grasser garantiert zwar persönlich, dass durch die Steuerreform 2005 jeder Steuerzahler entlastet wird - für Besserverdiener frisst allerdings die "kalte Progression" die Entlastung wieder auf.

Der Standard/Matthias Cremer

Wien – Auch am Montag blieb in Wirtschafts- und Finanzkreisen die Bewertung der Steuerreform 2005 Thema Nummer eins. Unternehmensvertreter bekräftigten die Bedeutung der Körperschaftssteuersenkung auf 25 Prozent für den Wirtschaftsstandort Österreich. Für einzelne Großbetriebe wie den Ziegelhersteller Wienerberger, die schwerpunktmäßig im Ausland aktiv sind, ändert sich aber in der Praxis fast nichts.

Effektiv gerechnet werde die KöSt-Belastung laut Finanzminister Karl-Heinz Grasser im kommenden Jahr von rund 28 Prozent auf 21 bis 22 Prozent sinken. Doch bereits der gesetzliche Satz von 25 Prozent bedeutet nach Angaben der Austrian Business Agency (ABA), die dem Wirtschaftsministerium unterstellte staatliche Betriebsansiedlungsagentur, den zweitattraktivsten EU-Platz für Österreich und eine deutliche Verbesserung der Position gegenüber den EU-Beitrittsländern.

Für 85 Prozent der Unternehmen ändert sich nichts

Auch die Kammer der Wirtschaftstreuhänder lobt die KöSt-Senkung ausdrücklich, dringende andere Maßnahmen würden jedoch weiterhin vermisst. Die Wirtschaftstreuhänder denken dabei in erster Linie an den unveränderten Spitzensteuersatz von 50 Prozent. Darüber hinaus, sagte Wirtschaftstreuhänder-Präsident Alfred Brogyányi: "Die geplante Entlastung wird zwar einem Großteil der Österreicher zugute kommen, für rund 85 Prozent der Unternehmen, die Klein- und Mittelbetriebe, ändert sich aber nichts."

Gemeint sind jene 255.000 einkommenssteuerpflichtigen Betriebe, die von einer Senkung der Körperschaftssteuer nichts haben. Finanzminister Karl-Heinz Grasser hielt diesem Argument entgegen, dass durch die Förderung der nicht entnommenen Gewinne diese Betriebe bereits in der ersten Steuerreformetappe 2004 entlastet worden seien.

Bernhard Felderer, Leiter des Instituts für Höhere Studien, erwartet sich durch die Steuerreform ein zusätzliches Wirtschaftswachstum um 0,3 Prozentpunkte. Zuletzt lagen die Prognosen für 2005 bei einer Wirtschaftswachstumsrate von 2,5 Prozent.

Das höhere Wachstum trage zur Finanzierung der Steuerreform bei, hoffen auch Grasser und sein Staatssekretär Alfred Finz. Felderer mahnte jedoch zusätzliche Sparanstrengungen in der Verwaltungsreform und bei den ÖBB ein. Gänzlich durch die Finger schauen würden laut Felderer erneut die Freiberufler (siehe Artikel unten). Die Freiberufler seien auch bei der ersten Etappe der Steuerreform 2004 vergessen worden. Felderer kritisierte ebenso wie die Wirtschaftstreuhänder, dass der Spitzensteuersatz – anders als etwa in Deutschland – nicht gesenkt werde.

Steuer auf Bierdeckel

Auf der Arbeitnehmerseite geht die Diskussion weiter, wie hoch nun die tatsächlichen Entlastungen seien. Grasser und Finz sagten vor Medienvertretern, dass die neue Formel zur Berechnung der individuellen Steuerleistung jedenfalls so simpel sei, dass sie auf jedem Bierdeckel bewerkstelligt werden könne.

Die Regierungsvertreter sehen alle Steuerpflichtigen teils massiv entlastet. Die von der Opposition geforderte Anhebung der Negativsteuer für Kleinsteinkommensbezieher, die schon heute keine Steuer bezahlen, lehnt Grasser ab. Man dürfe Steuer- nicht mit Sozialpolitik verwechsel, so seine Argumentation im Kern.

Auch Mehrbelastungen

Die Arbeiterkammer hält den positiven Rechenbeispielen des Finanzministeriums, wo bei zwei Kindern – dank der höheren Alleinverdienerabsetzbeträge – jährliche Entlastungen von bis zu 876 Euro herauskommen, Beispiele minimaler Entlastungen von 127,44 Euro jährlich oder 10,6 Euro monatlich entgegen.

Folgt man der AK-Argumentation, die auch Mehrbelastungen etwa aus der Mineralölsteuer oder der höheren Energieabgabe mit einrechnet, kommen sogar Mehrbelastungen für manche Steuerpflichtige heraus. Weitere solcher Negativbeispiele wollen ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch und AK-Präsident Herbert Tumpel heute, Dienstag, den Medien vorrechnen. (DER STANDARD Printausgabe, 13.01.2004, Michael Bachner)