Illustration: Der STANDARD

Seit rund sieben Jahren beschäftigt sich Martin Polaschek mit der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs aus rechtlicher Perspektive.

Den Zugang zu diesem zumindest von Juristenseite nicht gerade intensiv beforschten Thema hat der für Rechtsgeschichte, Rechtliche Zeitgeschichte und Föderalismusforschung habilitierte Jurist, dessen rasante akademische Karriere vor 15 Jahren als Studienassistent am Institut für Österreichische Rechtsgeschichte an der Uni Graz begann, neben seiner Leidenschaft für exzessive Archivstudien vor allem einem Zufall zu verdanken: "Als dem steiermärkischen Landesarchiv vor einigen Jahren vom Landesgericht die ersten Gerichtsakten ab 1945 übergeben wurden, sollte ich als rechtlicher Berater herausfinden, auf welcher juristischen Basis man in diese Akten überhaupt Einsicht nehmen darf."

Konfrontiert mit diesem brisanten und noch völlig unerforschten Datenmaterial über die steirische Nachkriegsjustiz war für den heute 38-Jährigen bald klar, dass hier eine Aufgabe auf ihn wartete, die über eine juristische Tätigkeit weit hinausgehen sollte. Das Ergebnis der zufallsvermittelten Forschungsleidenschaft sind zahlreiche Projektleitungen, Publikationen und Vorträge zum Thema NS-Justiz.

Sein 1998 erschienenes Buch über die Volksgerichte in der Steiermark erlebte im vergangenen Jahr bereits die zweite Auflage. "Ein deutliches Zeichen", meint der gebürtige Brucker, "dass die Menschen enormes Interesse an der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Zeit haben."

Gefragt ist Polascheks Spezialkombination aus zeitgeschichtlichem und juristischem Wissen übrigens auch im Ausland, wie aus seiner Gutachtertätigkeit für das Kanadische Justizministerium hervorgeht. "Im Rahmen eines Ausweisungsverfahrens gegen einen mutmaßlichen österreichischen Kriegsverbrecher musste ich mehrmals nach Kanada, um vor den Behörden auszusagen."

Eine geplante Monografie über die Neonaziprozesse seit 1945 liegt noch unvollendet in der Schublade. Dass sie dort auch noch eine Zeit lang bleiben wird, hat mit dem jüngsten Karrieresprung des umtriebigen Juristen zu tun: Ist er doch seit einigen Wochen Vizerektor für Studium, Lehre und Personalentwicklung an der Grazer Karl-Franzens-Universität.

Das Forschen jedoch will der neue Unimanager mit dem blonden Pferdeschwanz und der Neigung zu extravaganten Outfits auch während seiner Amtszeit nicht ganz lassen: "Auf Sparflamme", meint er "werde ich das jetzt in meiner Freizeit machen." Die alten Hobbys wie Sport und Literatur müssen dafür halt gemeinsam mit den vielen Ideen für neue Forschungsarbeiten vorläufig auf Eis gelegt werden. Dass es nach dieser "Zwischenstation" auf der universitären Chefetage wieder in die Wissenschaft zurückgehen soll, steht für Martin Polaschek jedoch außer Zweifel. (grido/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 1. 2004)