Neue Alben von Godflesh, Funny van Dannen, The Keys - und eine Drei-CD-Box vom legendären Wattstax-Festival
Bert Rebhandl
,
WATTSTAX
Soundtrack – Various Artists
(Fantasy/
Zyx)
Am 20. August 1972 ging im Stadtteil
Watts von Los Angeles ein Festival mit
rund 120.000 Besuchern über die Bühne:
Wattstax. Das in Memphis, Tennessee, ansässige
Soul-Label Stax, wollte damit
nicht nur Fund-Raising für den nach den
Watts-Riots der 60er-Jahre immer noch
darniederliegenden, vorwiegend von
Afroamerikanern bewohnten Stadtteil betreiben.
Für den damaligen Labelchef Al
Bell ging es vor allem auch darum, den Fuß
in die Tür des Filmbusiness, sprich Hollywood,
zu bekommen. Die vorliegende
Drei-CD-Box bietet einen Querschnitt aus
den beiden nach dem Festival veröffentlichten
Doppelalben – bereichert um bislang
unveröffentlichtes Material. Hören
Sie, wie der wunderbare Rufus Thomas
das Stadion rockt und mit Funky Chicken
zum Gackern bringt. Wie ein tirilierender
Rance Allen Gott zeigt, wo der Funk wohnt
und wie Isaac Hayes seinen 30. Geburtstag
gefeiert hat. Auch wenn hier nicht alle der
über 20 verschiedenen Künstler gerade am
Höhepunkt ihre Kunst waren – Woodstock
erscheint dazu im Vergleich wie ein katholisches
Lagerfeuergeklampfe mit lauter
schmutzigen Kindern. Hoch an der Zeit,
auch die Filmdokumentation endlich wieder
zuveröffentlichen.
GODFLESH
Messiah
(Rave Up 01/596 96 50)
Eine der besten, in der erweiterten Begriffswelt
des Metal ihre Genugtuung findende
Band, veröffentlicht auf Messiah
ein paar alte und unveröffentlichte Songs
neu: Godflesh. Nach Ausflügen in Industrial-
Dub oder Düster-Ambient mit Nebenprojekten
wie Ice, God, Scorn oder Techno
Animal, wurde hier all das in fremden
Welten erlernte der ursprünglichen Prägung
der Band untergeordnet: Metal. Das
Resultat erklingt in monomanischen und
zäh malmenden Mensch-Maschine-Beats,
die auf turmhohe Gitarrenwände treffen.
Irgendwo dazwischen brüllt Justin Broaderick
gegen Gott und die Welt an. Vielleicht
hätte Big Black Mitte der 90er so geklungen,
wenn Steve Albini sie nicht aufgelöst
hätte. Musik, bei der Marilyn Mansons
Windel feucht wird.
FUNNY VAN DANNEN
Herzscheiße
(Hoanzl)
Brillante
Songs rund um die Daseinsform
Mensch und all ihre großen und kleinen
Prä-Grube-Katastrophen vertont und betextet
einmal mehr der geniale Funny van
Dannen: Psychiater, die Selbstmord begehen,
und das Wort des Jahres zählen zu
den Resultaten: Herzscheiße noch mal!
THE KEYS
Same
(Too Pure/Musica)
Wer die
Band Calexico schätzt und den Namen der
introspektiven Rocker Sebadoh rückwärts
buchstabieren kann, wer weiß, wofür das
Kürzel V.U. im Pop steht, wird den walisischen
Dreierziegel um Brillenträger Matthew
Evans sofort schätzen. Erfreuen The
Keys doch winterkühle Herzen mit charmantem
Gitarrengeschrumme, das sich
melodisch dem Erbe der Beach Boys ebenso
verpflichtet fühlt wie den „beiden besten
Musiken der Welt: Country und Western!“
Daneben versucht sich das hängeschultrige
Trio erfolgreich am britisch-mexikanischen
Kulturaustausch, verziert
ihre Songs mit Fahrradglocken und beweist,
dass es pure Kapazitätenverschwendung
ist, wenn jemand mit mehr
als einer Hand Orgel spielt. Wochenlang
lag dieses Album unbeachtet herum, mittlerweile
funktioniert der CD-Player gar
nicht mehr ohne The Keys. (DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2004)
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