Bild nicht mehr verfügbar.

Die Delegierten der Loya Jirga entschieden sich am Sonntag auf eine gemeinsame Verfassung
Foto: REUTERS/AHMAD MASOOD
Kabul - Afghanistan hat zwei Jahre nach dem Sturz der Taliban ein neues Grundgesetz. Nach dreiwöchigem zähen Ringen beschloss die Große Ratsversammlung (Loya Jirga) am Sonntag in Kabul eine Verfassung. Damit ebneten die 502 Delegierten den Weg für die ersten freien Wahlen nach fast 25 Jahren Krieg und Bürgerkrieg. Nach der neuen Verfassung ist Afghanistan eine "Islamische Republik". Das Grundgesetz mit seinen 162 Artikeln trägt aber in weiten Teilen liberalen Vorstellungen des Westens Rechnung.

Präsident mit vielen Rechten

Die Regierung wird künftig von einem Präsidenten geführt, der ähnlich wie in den USA mit weit reichenden Machtbefugnissen ausgestattet ist. Bei diesem am heftigsten umstrittenen Punkt setzte sich Übergangspräsident Hamid Karsai (Karzai) durch, der gedroht hatte, andernfalls bei den im Juni geplanten Wahlen nicht zu kandidieren. Der Präsident hat zwei Stellvertreter. Einen Ministerpräsidenten wird es nicht geben. Der Präsident ist einer der beiden Kammern des Parlaments verantwortlich.

Staatsreligion Islam

Der Islam wird Staatsreligion. Gleichzeitig wird Anhängern anderer Religionen aber das Recht auf Ausübung ihres Glaubens zugestanden. Das Wort Scharia, die islamische Rechtsprechung, findet sich nicht in der neuen Verfassung. Jede Form der Diskriminierung ist verboten, Frauen und Männern werden die gleichen Rechte zugestanden.

Der frühere afghanische König Zahir Schah bekommt laut Verfassung den Titel "Vater der Nation". Regierungsmitglieder dürfen nur die afghanische Staatsbürgerschaft haben. Landesweite Amtssprachen werden Paschtu, die Sprache der Paschtunen, und Dari, die Sprache der tadschikischen Volksgruppe. In Gegenden, wo es eine Mehrheit bestimmter anderer Volksgruppen gibt, wird deren Sprache zur dritten Amtssprache. Über diesen Punkt hatten die mehrheitlich gewählten Delegierten bis zuletzt gestritten.

Nach der Einigung der Delegierten wollen der frühere König und Karsai die Verfassung feierlich unterzeichnen und verkünden. Ein genauer Termin für die Zeremonie stand noch nicht fest.

Bush spricht von "historischem Schritt"

Die Verabschiedung der neuen Verfassung für Afghanistan stieß international auf große Zustimmung. US-Präsident George W. Bush erklärte, die verabschiedete Verfassung helfe sicher zu stellen, dass Terroristen in dem Land keinen Unterschlupf mehr finden würden. "Das Dokument ist die Basis für demokratische Institutionen und ein Rahmenwerk für Wahlen im Jahr 2004", hieß es in einer Erklärung.

Nach den Worten Bushs ist die Charta ein weiterer historischer Schritt nach vorn, nachdem die islamistischen Taliban-Herrscher vor mehr als zwei Jahren gestürzt wurden. "Wir werden dem afghanischen Volk beim Aufbau einer freien und wohlhabenden Zukunft helfen", versprach der US-Präsident weiter. Der US-Botschafter in Kabul, Zalmay Khalilzad, würdigte das Votum der Loya Jirga als "Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie" in Afghanistan. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer (Grüne) beglückwünschte das afghanische Volk zu "diesem ermutigenden Erfolg".

Annan: "Demonstrierte Entschlossenheit"

UNO-Generalsekretär Kofi Annan begrüßte die neue Verfassung als eine "historische Errungenschaft". Sie demonstriere die Entschlossenheit der afghanischen Bevölkerung, den Übergang ihres Landes zu einem stabilen und demokratischen Staat zu vollziehen. In einer Erklärung, die ein Sprecher Annans am Sonntagabend (Ortszeit) im Namen des UNO-Chefs veröffentlichte, hieß es, "dies ist ein weiterer wichtiger Schritt des Friedensprozesses, der den Einsatz des afghanischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft rechtfertigt". (APA)