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Zum Islam konvertierte Europäer in der neuen Moschee in Granada, deren Kosten (vier Millionen Euro) von arabischen Ländern getragen wurden.

Foto: APA/EPA/Juan Ferreras
Granada - 1492 wurde der letzte Maurenherrscher Boabdil aus Spanien vertrieben, die Schatten der Inquisition senkten sich in der Folge über die Halbinsel. Wie jedes Jahr gedachte die Stadt am 2. Jänner der so genannten "Toma de Granada" mit viel militärischem Pomp, dem Hissen der Fahne und mit der Nationalhymne. Auch ein Besuch bei den Gräbern von Isabel von Kastilien und Ferdinand von Aragón in der Kathedrale sowie ein Empfang in der Alhambra standen auf dem Programm der Politiker, des Klerus und der Militärs.

Jährliche Polemik

Und wie jedes Jahr gab es um die Feierlichkeiten wieder erhebliche Polemik. Stellt die "Toma" für die katholisch-konservativen Kreise in Granada eine wichtige Tradition dar, so instrumentalisieren rechtsradikale Gruppen stets die Feier, um gegen die illegale Immigration und die angebliche islamische Rückeroberung Andalusiens zu protestieren. Die Vereinigte Linke (Izquierda Unida) im Stadtrat sprach von einer wiederholten Provokation, und islamische Verbände sind ebenso gegen die Zeremonie.

Viertel gleicht einem Basar

Die Feierlichkeiten polarisieren heute mehr denn je. Denn es scheint, als wäre Allah nach 500-jähriger Abwesenheit wieder nach Granada zurückgekehrt. In den engen Gassen des Stadtteils Albaicín Bajo reiht sich ein Kebab-Imbiss an den anderen. Touristenscharen schieben sich an arabischen Souvenirständen und Teestuben vorbei. Das gesamte Viertel gleicht einem islamischen Basar.

Eine neue Moschee

Die enorm gewachsene muslimische Präsenz macht sich allerdings nicht nur durch das bunte Treiben bemerkbar. Seit kurzem haben die rund 14.000 Muslime der 260.000-Einwohner-Stadt auch eine nagelneue Moschee auf dem Aussichtspunkt Mirador de San Nicolas. Die Eröffnung am 10. Juli glich einem Staatsakt: Mit einem enormen Polizeiaufgebot erschienen dunkle Nobelkarossen mit Regierungsvertretern aus Marokko, Malaysia, Libyen und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unter ihnen war auch Sultan Bin Mohammed al-Kassimi aus den Emiraten, der neben dem marokkanischen Königshaus Hauptfinanzier des Projektes ist.

Bewegung der zum Islam bekehrten Europäer

Federführend bei der Erbauung waren jedoch die Murabitun, eine internationale Bewegung der zum Islam bekehrten Europäer. Deren geistiger Vater und Gründer ist der mittlerweile 67-jährige Schotte Ian Dallas, besser bekannt als Abdelkader al-Murabit. In den 60er-Jahren war er in der Hippiebewegung aktiv und mit Beatle George Harrison und dem französischen Chansonsänger Serge Gainsbourg befreundet. In den 70er-Jahren "bekehrte" er reihenweise Katholiken und Protestanten zum Islam. Darunter auch Abdalhasib Castiñeira, den Direktor der Mezquita-Stiftung Granada, der sich früher Ramón nannte.

Nicht unumstritten

"Die Moschee ist ein Symbol für die Rückkehr des Islams nach Spanien", meint Castiñeira. "Der Islam ist mehr als eine Religion, er ist eine antimaterialistische Lebensauffassung. Sein Siegeszug ist deshalb unaufhaltsam." Unumstritten ist dieser mutmaßliche Siegeszug des von den Murabitun gepredigten Islams allerdings nicht. Schon Mitte der Neunzigerjahre gab es in Granada heftigen Wirbel um die Bewegung. Damals behauptete der Journalist Tomás Navarro in seinem Buch "Die Mezquita von Babel", dass Gründer Ian Dallas ein Bewunderer von Adolf Hitler sei. Die Murabitun seien eine gefährliche Sekte und wollten einen totalitären Kalifatsstaat errichten.

Auch in Deutschland aktiv

Auch in Deutschland ist die Gruppe nicht unbekannt. Laut Herbert Landolin Müller, Leiter der Kompetenzgruppe Islamismus beim Verfassungsschutz in Stuttgart, haben die Murabitun ihr Wirken in der Bundesrepublik im Jahr 1990 begonnen. Aktenkundig sind sie dem Verfassungsschutz und den Sektenbeauftragten der evangelischen Landeskirchen unter anderem für antisemitische Äußerungen, die Gründer Dallas in seinem Buch "Der Amal von Medina" verbreitet hat.

Vor Gericht ziehen

Wie ein fanatischer Glaubenskrieger wirkt Castiñeira allerdings nicht. "Navarros Vorwürfe sind absoluter Müll. Schlecht recherchiert und bösartig. Er wollte Hass säen und hat irgendwelche Gerüchte aufgegriffen. Persönlich befragt hat er uns nicht. Auch bei der spanischen Polizei liegt nichts gegen uns vor", weist er die Anschuldigungen zurück. Lange habe man die Vorwürfe ignoriert, nun sei man entschlossen, gegen Navarro vor Gericht zu ziehen. Der von den Murabitun gepredigte Islam sei tolerant und offen, versichert Castiñeira. Gerade in Granada sei man zu Toleranz verpflichtet. Schließlich hätten Muslime, Juden und Christen hier 800 Jahre lang friedlich miteinander gelebt.

Kleines Mekka für europäische Muslime

Vielleicht war es gerade dieser Mythos, der dafür gesorgt hat, dass die Stadt in den letzten Jahren zu einem kleinen Mekka für zum Islam übergetretene Europäer geworden ist. Inzwischen leben schon tausend bis 1500 konvertierte ehemalige Christen in Granada und Umgebung. Mit steigender Tendenz.

Schmierereien

Ganz reibungslos ist diese kleine muslimische Renaissance allerdings nicht verlaufen. 3000 islamische Gaststudenten, 6500 offiziell gemeldete Gastarbeiter und schätzungsweise 3000 illegal eingewanderte Wirtschaftsflüchtlinge leben mittlerweile in der Stadt. Für viele stellen die Feierlichkeiten am 2. Jänner einen Affront dar. Andererseits sind bereits kurz nach der Eröffnung Schmierereien gegen die neue Moschee aufgetaucht.

Terroristenverdacht

Hinzu kommt der Verdacht, dass die Stadt islamischen Terroristen als neuer Stützpunkt dienen könnte. Seit der Richter Baltasar Garzón im September vergangenen Jahres den Bin-Laden-Interviewer und Al-Jazeera-Reporter Tayssir Alouni in Granada vorübergehend verhaften ließ, weil er zur Finanzierung der Terrororganisation Al-Kaida beigetragen, Verdächtige versteckt und neue Kämpfer angeworben haben soll, wird die islamische Gemeinde immer argwöhnischer beäugt.

Al-Kaida-Mitglieder verhaftet

Offenbar nicht ganz zu Unrecht: Seither hat die Polizei in der Stadt zahlreiche weitere mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder verhaftet. Laut den Ermittlungen Garzóns sollen sie über Alouni Kontakt zur Hamburger Terrorzelle des Selbstmordpiloten Mohammed Atta gehabt haben. (DER STANDARD, Printausgabe 3./4.1.2004)